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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatte keine Erinnerung an das, was ihr am lebhaftesten vor Augen stand: ein Mann mit langem blondem Haar hatte einen Klapptisch neben ihrem Bett aufgestellt, so daß die Platte für sie in Augenhöhe lag. Dann hatte er eine Reihe großer Dominosteine auf dem Tisch aufgestellt und gesagt: »Werfen Sie sie um, Vickv. Werfen Sie alle Steine um.« Und gehorsam hatte sie die Hand gehoben, um die Steine umzuwerfen, aber der Mann hatte ihr die Hand behutsam, aber energisch auf die Brust zurückgedrückt. »Sie brauchen dazu die Hände nicht, Vicky«, hatte er gesagt. »Werfen Sie sie einfach um.« Deshalb hatte sie die Dominosteine nur angesehen, und sie waren einer nach dem anderen umgefallen. Im ganzen ungefähr ein Dutzend.
    »Ich fühlte mich anschließend sehr müde«, erzählte sie Andy und lächelte dabei ihr kleines schiefes Lächeln. »Und dann kam mir irgendwie der Gedanke, daß wir über Vietnam diskutierten. Und ich sagte ungefähr folgendes: ›Ja, das ist der Beweis. Wenn Südvietnam fällt, fällt auch alles andere‹ Und er lächelte und streichelte mir die Hände und sagte: ›Warum schlafen Sie nicht ein wenig, Vicky? Sie müssen müde sein.‹ Und das war ich auch.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber jetzt erscheint es mir ganz unwirklich. Entweder habe ich mir das alles nur eingebildet, oder ich habe einen völlig normalen Test mit einer Halluzination ausgeschmückt. Erinnerst du dich, den Mann gesehen zu haben? Er war groß, mit langen blonden Haaren, und am Kinn hatte er eine kleine Narbe.«
    Andy schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe aber immer noch nicht, wieso wir überhaupt eine dieser Phantasien gemeinsam hatten«, sagte Andy. »Es könnte höchstens sein, daß sie eine Droge entwickelt haben, die nicht nur halluzinogen wirkt, sondern außerdem telepathische Fähigkeiten bewirkt. Ich weiß, daß während der letzten paar Jahre darüber geredet wurde … der Gedanke dabei ist wohl, daß eine halluzinogene Droge die Wahrnehmungsfähigkeit schärfen kann …«Er grinste. »Carlos Castaneda, wo bist du, wenn man dich braucht?«
    »Ist es nicht wahrscheinlicher, daß wir nur die gleiche Phantasievorstellung diskutiert und das dann vergessen haben?«
    Auch er meinte, dies sei durchaus eine Möglichkeit, aber er war über das Erlebnis noch immer höchst beunruhigt.
    Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und sagte: »Das einzige, was ich wirklich bestimmt weiß, ist, daß ich mich wahrscheinlich in dich verliebt habe, Vicky.«
    Sie lachte nervös und küßte ihn am Mundwinkel. »Das ist lieb von dir, Andy, aber …«
    »Aber du hast ein wenig Angst vor mir. Vielleicht vor Männern allgemein.«
    »Vielleicht stimmt das«, sagte sie.
    »Ich wollte dichja nur bitten, mir eine Chance zu geben.«
    »Du wirst deine Chance bekommen«, sagte sie. »Ich mag dich, Andy. Sehr sogar. Aber vergiß bitte nicht, daß ich Angst habe. Manchmal habe ich ganz einfach … Angst.« Sie wollte nur ganz leicht die Achseln zucken, aber es wurde ein Erschauern daraus.
    »Ich werde daran denken«, sagte er, zog sie in seine Arme und küßte sie. Nach einigem Zögern erwiderte sie seinen Kuß, und hielt seine Hand ganz fest in ihrer.
15
    »Daddy!« kreischte Charlie.
    Häßlich drehte sich vor Andys Augen die Welt. Die Lampen, die die Nordroute säumten, lagen unter ihm, der Boden hing über ihm und schüttelte ihn wieder ab. Dann saß er plötzlich, und, wie ein Kind auf einem Schlitten, glitt er den unteren Teil der Böschung hinab. Unter ihm rollte Charlie hilflos den Hang hinunter.
    Oh, nein, sie wird direkt auf der Straße im Verkehr landen- »Charlie!« brüllte er heiser, daß es ihm im Kopf und in der Kehle weh tat. »Paß auf!«
    Dann war sie unten und hockte im grellen Licht der vorbeirasenden Wagen auf der Standspur. Sie schluchzte. Wenige Augenblicke später landete er mit einem Aufprall neben ihr, der ihm durch das Rückgrat bis in den Kopf fuhr. Er sah alles doppelt, dann dreifach, bis sich allmählich der alte Zustand wieder einstellte.
    Charlie saß da und hielt die Arme vor das Gesicht.
    »Charlie«, sagte er und berührte ihren Arm. »Es wird schon alles gut, Schatz.«
    »Ich wünschte, ich wäre vor die Autos gefallen!« rief sie aus, und ihre Stimme klang hell und böse, denn sie empfand Ekel vor sich selbst. Es schnitt Andy ins Herz. »Ich habe es verdient, weil ich den Mann in Brand gesteckt hab!«
    »Schscht«, sagte er. »Daran darfst du nicht mehr denken.«
    Er hielt sie fest. Die Wagen fegten vorbei. In

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