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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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böses, böses Mädchen! Das darfst du nicht tun! Tu es nie, nie wieder!«)
    Wie alt war sie damals gewesen? Zwei? Drei? Wie weif konnte ein Mensch sich zurückerinnern? Das hatte sie Daddy einmal gefragt, aber er wußte es nicht. Er sagte nur, daß er sich daran erinnerte, einmal von einer Biene gestochen worden zu sein, und seine Mutter hatte ihm erzählt, daß er damals erst fünfzehn Monate alt war.
    Dies war ihre erste Erinnerung: die großen Gesichter, die sich über sie beugten; die lauten Stimmen, wie Felsbrocken, die einen Berghang hinunterrollen; und ein Geruch wie eine verbrannte Waffel. Der Geruch war von ihrem Haar gekommen. Sie hatte ihr eigenes Haar in Brand gesteckt, und es war fast ganz abgebrannt. Danach hatte Daddy von »Hilfe« gesprochen, und Mami war ganz komisch geworden, zuerst lachte und dann weinte sie. Und dann lachte sie wieder so schrill und seltsam, daß Daddy ihr ins Gesicht schlug. Sie erinnerte sich daran, weil es, soviel sie wußte, das einzige Mal war, daß Daddy so etwas getan hatte. Vielleicht sollten wir daran denken, ihr »helfen« zu lassen, hatte Daddy gesagt. Sie waren im Bad, und ihr Kopf war naß, denn Daddy hatte sie unter die Dusche gesteckt. Oh, ja, hatte Mami gesagt, laßt uns Dr. Wanless aufsuchen, der wird uns sehr »helfen«, wie er es schon einmal getan hat … und dann das Gelächter, das Weinen wieder Gelächter, dann der Schlag.
    (Du warst so BÖSE gestern abend)
    »Nein«, murmelte sie unter dem Rauschen der Dusche »Daddy sagte nein. Daddy sagte, es hätte … auch … sein … Gesicht treffen können.«
    (DU WARST EIN SEHR BÖSES MÄDCHEN GESTERN ABEND)
    Aber sie hatten das Geld aus den Münzapparaten doch gebraucht. Daddy hatte es gesagt.
    (SEHRBÖSE)
    Und dann dachte sie wieder an Mami zu der Zeit, als sie selbst fast sechs war. Sie dachte nicht gern daran, aber es kam ihr nun einmal in den Sinn, und sie konnte es nicht verdrängen. Es war gewesen, bevor die bösen Männer kamen und Mami weh taten.
    (Nein, getötet, sie haben sie getötet)
    Ja, also bevor sie sie töteten und Charlie abholten. Daddy hatte sie auf den Schoß genommen, um ihr vorzulesen, aber diesmal waren es nicht die gewohnten Märchenbücher mit Bildern. Statt dessen hatte er einige dicke Bücher ohne Bilder. Sie hatte widerwillig die Nase gerümpft und ihre Bilderbücher verlangt.
    »Nein, Charlie«, hatte er gesagt. »Ich will dir ein paar andere Geschichten vorlesen. Ich denke, du bist jetzt alt genug, und deine Mutter meint das auch. Die Geschichten erschrecken dich vielleicht ein wenig, aber es ist wichtig, daß du sie kennst. Es sind wahre Geschichten.«
    Sie erinnerte sich an die Titel einiger der Bücher, aus denen Daddy vorgelesen hatte, denn die Geschichten hatten sie erschreckt. Das eine hieß Vorsicht! und war von einem gewissen Charles Fort. Ein anderes, Was keine Wissenschaft erfaßt, hatte ein Frank Edwards geschrieben. Ein weiterer Titel lautete Die Wahrheit der Nacht. Ein anderes Buch war Pyrokinese: Fallbeschreibungen, aber Mami hatte Daddy gebeten, ihr daraus nichts vorzulesen. »Später«, hatte Mami gesagt, »wenn sie älter ist, Andy.« Und dann war das Buch weggestellt worden, und Charlie war froh gewesen.
    Die Geschichten waren wirklich erschreckend gewesen. Die eine handelte von einem Mann, der sich in einem Park selbst verbrannt hatte. In einer ging es um eine Frau, die in ihrem Wohnanhänger verbrannt war, und außer der Frau und einem Teil des Stuhls, auf dem sie vor dem Fernseher gesessen hatte, war nichts mitverbrannt. Einiges war zu kompliziert gewesen, als daß sie es verstanden hätte, aber sie erinnerte sich daran, daß ein Polizist gesagt hatte: »Wir haben für diesen Todesfall keine Erklärung. Vom Opfer waren nur noch die Zähne und ein paar verkohlte Knochen übrig. Um einen Menschen so zuzurichten, hätte man eine Lötlampe gebraucht. Dabei war im übrigen Raum nicht einmal etwas angesengt. Wir können uns nicht erklären, warum nicht der ganze Anhänger in Flammen aufgegangen ist.«
    Die dritte Geschichte handelte von einem großen Jungen – er war elf oder zwölf –, der zu brennen begonnen hatte, während er sich am Strand aufhielt. Sein Vater hatte ihn ins Wasser geworfen und sich selbst dabei schwere Verbrennungen zugezogen, aber der Junge hatte weitergebrannt, bis er total verkohlt war. In einer Geschichte war ein junges Mädchen verbrannt, als sie dem Priester im Beichtstuhl ihre Sünden beichtete. Charlie wußte gut über die katholische

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