Feuerkind
ihrer eigenen Mutter geerbt hat«, sagte Norma. »Und mein schöner Schreibtisch. Und die Bilder, die wir im letzten Juli in Schenectady auf der Kunstausstellung gekauft haben.« Eine Träne lief ihr über die Wange, und sie wischte sie mit dem Ärmel weg. »Und all die Briefe, die du mir geschrieben hast, als du in der Armee warst.«
»Ist Ihrer Kleinen auch nichts passiert?« fragte Irv.
»Ich weiß es nicht.«
»Dann hören Sie zu. Wir können nicht viel für Sie tun, aber hinter der Scheune steht ein alter Willys Jeep –«
»Irv, nein! Du darfst nicht noch tiefer in diese Sache hineingeraten!«
Er wandte sich ihr zu und sah sie an. Sein faltiges, immer noch graues Gesicht glänzte von Schweiß. Hinter ihnen brannte ihr gemeinsames Heim. Das Knallen der zerplatzenden Schindeln hörte sich an, als würden Roßkastanien in ein Feuer geworfen.
»Diese Männer sind ohne Haftbefehl gekommen und wollten die beiden von unserem Grundstück entführen«, sagte er. »Leute, die ich eingeladen hatte, wie es in einem zivilisierten Land mit vernünftigen Gesetzen der Brauch ist. Einer von ihnen hat mich angeschossen, und einer wollte Andy erschießen. Er hat ihn nur um Zentimeter verfehlt.« Andy dachte an den ersten, betäubenden Knall und an den Holzsplitter, der vom Stützpfosten der Veranda sprang. Es lief ihm eiskalt über den Rücken. »All das haben sie getan. Was verlangst du von mir, Norma? Soll ich hier sitzen und ihn der Geheimpolizei ausliefern, sobald die Leute Verstärkung geholt haben und zurückkommen? Soll ich mich wie ein Feigling verhalten?«
»Nein«, sagte sie heiser. »Nein, sicherlich nicht.«
»Sie dürfen aber nicht –« fing Andy an.
»Doch«, sagte Irv. »Und wenn sie zurückkommen … sie werden doch zurückkommen, nicht wahr, Andy?«
»O ja, sie werden zurückkommen. Mit noch mehr Leuten.«
Irv lachte. Es war ein pfeifendes, atemloses Lachen. »Das geht in Ordnung. Wenn sie wieder auftauchen, weiß ich nur, daß Sie den Willys genommen haben. Mehr weiß ich nicht. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
»Danke«, sagte Andy leise.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Irv. »Bis zur Stadt zurück ist es weit, aber man hat bestimmt schon den Rauch gesehen. Die Feuerwehr wird kommen. Sie sagten, Sie und die Kleine wollten nach Vermont. War das denn wenigstens richtig?«
»Ja«, sagte Andy.
Zur linken hörten sie ein Stöhnen. »Daddy –«
Charlie richtete sich auf. Die rote Hose und die grüne Bluse waren mit Dreck beschmiert. Sie sah blaß aus und blickte die anderen völlig verwirrt an. »Daddy, was brennt denn? Ich rieche es. War ich das? Was brennt?«
Andy ging zu ihr und nahm sie auf den Arm. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er und fragte sich, warum man Kindern so etwas sagt, obwohl sie, genausogut wie man selbst, wissen, daß es nicht stimmt. »Es ist alles in Ordnung. Wie fühlst du dich, Honey?«
Sie schaute über seine Schulter zu der brennenden Wagenkolonne hinüber. Sie sah die zusammengekrümmte Leiche im Garten und das brennende Haus der Manders’. Auch die Veranda war jetzt von Flammen eingehüllt. Der Wind trug den Rauch und die Hitze von ihnen weg, aber der Geruch von brennendem Benzin und Holz war dennoch penetrant.
»Das war ich«, sagte Charlie so leise, daß man es kaum hörte. Wieder begann ihr Gesicht zu zucken.
»Nicht doch!« sagte Irv streng.
Sie sah ihn an und durch ihn hindurch. »Ich«, stöhnte sie.
»Lassen Sie sie runter«, sagte Irv. »Ich will mit ihr reden.«
Andy trug sie zu Irv hinüber, der immer noch gegen das Scheunentor gelehnt auf dem Boden saß, und setzte sie ab.
»Jetzt hör einmal zu, Kleine«, sagte Irv. »Diese Männer wollten deinen Daddy töten. Du wußtest es vor mir, vielleicht auch bevor er es wußte, wenn ich auch verdammt nicht weiß, wie. Habe ich recht?«
»Ja«, sagte Charlie. Ihre Augen verrieten immer noch ihr ganzes Elend. »Aber Sie verstehen es nicht. Es war wie bei dem Soldaten, nur schlimmer. Ich konnte … ich konnte es nicht aufhalten. Es ging überallhin. Ich habe ein paar von Ihren Hühnern verbrannt … und ich hätte fast meinen Vater verbrannt.« Die Tränen liefen ihr aus den Augen, und sie fing hilflos an zu schluchzen.
»Deinem Daddy ist nichts passiert«, sagte Irv. Andy sagte nichts. Er erinnerte sich an das plötzlich erstickende Gefühl, von einer Hitzehülle umschlossen zu sein.
»Ich will es nie wieder tun«, sagte sie. »Nie.«
»Schon gut«, sagte Andy und legte ihr die Hand auf die
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