Feuerklingen (First Law - Band 2)
holen konnte, um ihn zu reparieren, und man gab sich damit zufrieden, einfach hinüberzuklettern oder sich daran vorbeizuschieben und die Tausenden, die noch warteten, weiter aufzuhalten.
Auf dem diesseitigen Ufer des schnell dahinfließenden Stroms hatte sich ein großer Stau gebildet. Speere ragten in abenteuerlichen Winkeln in die Luft, Männer schoben einander weg und brummten sich an, umgeben von brüllenden Offizieren, während um sie herum immer mehr Abfall und weggeworfene Ausrüstung liegen blieben. Hinter ihnen schob sich die große Schlange stolpernder Männer mit ruckartigen Bewegungen weiter voran und beförderte immer mehr Soldaten in das Durcheinander vor der Brücke. Es gab nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass irgendjemand versucht hätte, sie zum Stehen zu bringen, von einer erfolgreichen Bewältigung des Engpasses ganz zu schweigen.
Und all das in Reih und Glied, ohne vom Feind bedrängt zu werden und auf einer halbwegs anständigen Straße. West wollte sich lieber nicht vorstellen, wie man diesen Haufen in eine Schlachtordnung brachte, noch dazu auf unwegsamem Gelände oder zwischen Bäumen. Er kniff die müden Augen zu und rieb sie mit den Fingern, aber als er sie wieder aufmachte, lag noch das gleiche entsetzliche, alberne Spektakel vor ihm. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Hinter sich hörte er die Hufe eines Pferdes, das die Anhöhe hinaufkam. Leutnant Jalenhorm, der breitschultrig und massig im Sattel saß. Kein Mann mit großer Vorstellungskraft vielleicht, aber ein guter Reiter und ein vertrauenswürdiger Offizier. Eine gute Wahl für die Aufgabe, die West zu vergeben hatte.
»Melde mich wie befohlen zur Stelle, Herr Oberst.« Der Leutnant wandte sich im Sattel um und sah zum Fluss hinunter. »Sieht aus, als gäbe es Schwierigkeiten auf der Brücke.«
»Ja, den Eindruck könnte man bekommen. Wahrscheinlich nur der Anfang unserer Probleme, fürchte ich.«
Jalenhorm grinste. »Wenn ich recht verstanden habe, dann sind wir zahlenmäßig überlegen, und wir haben die Überraschung auf unserer Seite …«
»Was die reinen Zahlen angeht, mag das stimmen. Überraschung?« West deutete hinunter auf die Männer, die sich um die Brücke drängten, und hörte die unbestimmten, verzweifelten Rufe der Offiziere. »Dieser wüste Haufen? Ein Blinder würde uns auf zehn Meilen Entfernung kommen hören. Ein Blinder und Tauber würde uns vermutlich riechen, bevor wir uns auch nur halbwegs in Schlachtordnung aufgestellt hätten. Wir werden allein einen Tag dafür brauchen, um den Fluss zu überqueren. Und hier liegt nicht einmal unsere größte Schwäche. Ich fürchte, hinsichtlich unserer Kommandanten könnte der Unterschied zwischen uns und unserem Feind nicht gravierender sein. Der Prinz lebt in einer Traumwelt, und sein Stab sieht seine Daseinsberechtigung offenbar allein darin, sie ihm zu erhalten, um jeden Preis.«
»Aber sicherlich …«
»Wir können mit unserem Leben dafür bezahlen.«
Jalenhorms Gesicht verdüsterte sich. »West, ich bitte Sie, mit einem solchen Gedanken im Kopf will ich doch nicht in die Schlacht ziehen.«
»Sie werden nicht in die Schlacht ziehen.«
»Wie bitte?«
»Sie werden sich sechs Männer aus Ihrer Kompanie auswählen und einige Ersatzpferde mitnehmen. Dann reiten Sie so schnell es geht nach Ostenhorm und von dort aus weiter nach Norden zum Lager von Lord Marschall Burr.« West griff in seinen Mantel und zog einen Brief hervor. »Das hier werden Sie ihm übergeben. Sie werden ihn davon in Kenntnis setzen, dass Bethod sich mit dem größeren Teil seiner Truppe bereits in seinem Rücken befindet und dass Prinz Ladisla schlecht beraten beschlossen hat, den Cumnur zu überqueren und die Nordmänner zur Schlacht zu fordern, in direktem Widerspruch zum Befehl des Marschalls.« West biss die Zähne zusammen. »Bethod wird uns auf Meilen kommen sehen. Wir überlassen dem Feind damit die Wahl des Geländes, nur damit Prinz Ladisla als Held dastehen kann. Kühnheit ist angeblich die beste Vorgehensweise im Krieg.«
»West, es ist aber doch sicher nicht ganz so schlimm?«
»Wenn Sie Marschall Burr erreichen, sagen Sie ihm, dass Prinz Ladisla mit Sicherheit geschlagen ist, dass sein Heer möglicherweise völlig aufgerieben wurde und dass die Straße nach Ostenhorm damit nicht mehr verteidigt wird. Er wird dann wissen, was zu tun ist.«
Jalenhorm starrte auf den Brief, streckte die Hand danach aus und hielt noch einmal inne. »Herr Oberst, ich würde
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