Feuerklingen (First Law - Band 2)
mir wirklich wünschen, dass Sie jemand anderen schicken. Ich sollte kämpfen …«
»Ob Sie kämpfen oder nicht, wird nicht den geringsten Unterschied machen, Herr Leutnant, aber die Überbringung dieser Nachricht womöglich schon. Ich tue dies nicht aus Gefühlsduselei, das können Sie mir glauben. Es gibt im Augenblick keine wichtigere Aufgabe als diese, und Sie sind derjenige, dem ich sie anvertraue. Haben Sie Ihre Befehle verstanden?«
Jalenhorm schluckte, dann nahm er den Brief, knöpfte seine Jacke ein wenig auf und ließ das Papier daruntergleiten. »Natürlich, Herr Oberst. Ich fühle mich geehrt, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen.« Er schickte sich an, das Pferd zu wenden.
»Da wäre noch eines.« West holte tief Luft. »Falls ich … getötet werden sollte. Wenn all das hier vorbei ist, würden Sie meiner Schwester eine Nachricht überbringen?«
»Kommen Sie, das wird sicherlich nicht nötig sein …«
»Ich hoffe zu überleben, glauben Sie mir, aber wir sind im Krieg. Nicht jeder wird leben. Wenn ich nicht zurückkomme, sagen Sie Ardee …« Er dachte einen Augenblick nach. »Sagen Sie ihr nur, es täte mir leid. Das ist alles.«
»Natürlich. Aber ich hoffe, Sie werden ihr das selbst sagen können.«
»Das hoffe ich auch. Viel Glück.« West streckte die Hand aus.
Jalenhorm beugte sich ein wenig hinunter und drückte sie fest. »Ihnen auch.« Dann trieb er sein Pferd den Hang hinunter, weg vom Fluss. West sah ihm einen Augenblick lang nach, dann holte er tief Luft und machte sich in die andere Richtung auf, der Brücke entgegen.
Irgendjemand musste die verdammte Kolonne ja wieder in Marsch setzen.
NOTWENDIGE ÜBEL
Die Sonne stand wie eine halbierte, leuchtende Goldscheibe über der Landmauer und warf orangefarbenes Licht in den Flur, den Glokta in Begleitung von Praktikal Frost entlangschlurfte. Durch die Fenster, an denen er sich schmerzerfüllt vorüberquälte, konnte er sehen, wie die Gebäude der Stadt dem Felsen lange Schatten entgegenstreckten. Beinahe meinte er beobachten zu können, wie bei jedem Fenster, an dem er vorbeikam, die Schatten länger und weniger scharf gezeichnet waren und die Sonne weniger kraftvoll und kälter erschien. Bald würde sie verschwunden sein.
Bald ist es Nacht.
Vor den Türen des Audienzsaals blieb er einen Augenblick stehen und wartete, bis er wieder zu Atem kam und der Schmerz in seinem Bein nachließ. Er fuhr mit der Zunge über sein Zahnfleisch. »Geben Sie mir jetzt den Sack.«
Frost tat das und legte eine weiße Hand auf die Tür. »Ffind Ffie bereit?«, stieß er dumpf hervor.
So bereit, wie ich je sein werde.
»Bringen wir es hinter uns.«
General Vissbruck steckte kerzengerade in seiner gut gestärkten Uniform; seine Hängebacken quollen ein wenig über den hochgestellten Kragen, und er spielte nervös mit seinen Händen. Korsten dan Vurms versuchte, so gelassen wie möglich zu erscheinen, aber seine Zunge, die immer wieder über seine Lippen fuhr, verriet seine Anspannung. Magisterin Eider saß hoch aufgerichtet da, die Hände vor sich auf dem Tisch verschränkt, das Gesicht streng. Eine rein geschäftliche Haltung. Ein Halsband aus großen Rubinen funkelte in den letzten Sonnenstrahlen.
Sie hat ja nicht allzu lange gebraucht, um ein paar neue Juwelen aufzutreiben, wie ich sehe.
Noch jemand war bei dieser Versammlung anwesend, und er war die Ruhe selbst. Nicomo Cosca lehnte an der gegenüberliegenden Wand, nicht weit entfernt von seiner Geldgeberin, die Arme über dem Brustpanzer verschränkt. Glokta fiel auf, dass er an einer Seite des Gürtels ein Schwert trug und einen langen Dolch an der anderen.
»Was macht der denn hier?«
»Das hier betrifft jeden in der Stadt«, sagte Eider ruhig. »Es ist eine Entscheidung, die zu bedeutsam ist, als dass Sie diese allein fällen können.«
»Er soll demnach dafür sorgen, dass Sie genug Einfluss nehmen können, was?« Cosca zuckte die Achseln und betrachtete eingehend seine dreckigen Fingernägel. »Und was ist mit dem Erlass, den alle zwölf Sitze des Geschlossenen Rats unterschrieben haben?«
»Ihr Dokument wird uns nicht vor der Rache des Imperators bewahren, wenn die Gurkhisen die Stadt erstürmen.«
»Ich verstehe. Also beabsichtigen Sie, sich mir zu widersetzen, dem Erzlektor und auch dem König?«
»Ich beabsichtige, den gurkhisischen Gesandten anzuhören und alle Fakten gegeneinander abzuwägen.«
»Sehr schön«, sagte Glokta. Er trat vor und drehte den Sack um. »Gewähren Sie ihm
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