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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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untergegangen.
    Der Himmel war dunkel.

ZWISCHEN DEN STEINEN
    Die ersten Boten des Morgengrauens zeigten sich über der Ebene. Ein Lichtschimmer färbte die Unterseiten der sich auftürmenden Wolken und die Ränder der uralten Steine, ein verwaschenes Glühen erhellte den östlichen Horizont. Ein Anblick, wie man ihn selten zu Gesicht bekam, dieses erste zögerliche Grauen; zumindest Jezal hatte ihn bisher kaum je miterlebt. Zu Hause wäre er zu dieser Zeit sicher in seinem Quartier gewesen und hätte fest in einem warmen Bett geschlafen. Keiner von ihnen hatte in der letzten Nacht ein Auge zugetan. Sie hatten die langen, kalten Stunden schweigend im Wind verbracht, hatten in der Düsternis nach Gestalten auf der Ebene Ausschau gehalten und hatten gewartet. Auf den Morgen.
    Neunfinger sah mit finsterem Blick zur aufgehenden Sonne. »Jetzt ist es fast so weit. Sie werden bald kommen.«
    »Ja«, murmelte Jezal wie betäubt.
    »Passt jetzt einmal auf. Ihr bleibt hier und bewacht den Karren. Es sind ziemlich viele, und es ist recht wahrscheinlich, dass uns einige in den Rücken fallen wollen. Deswegen steht Ihr hier. Verstanden?«
    Jezal schluckte. Seine Kehle war durch die Anspannung wie zugeschnürt. Nur ein einziger Gedanke ging ihm immer wieder durch den Kopf – wie ungerecht das alles war. Wie ungerecht, dass er so jung sterben sollte.
    »In Ordnung. Die anderen und ich werden auf der anderen Seite vorn auf dem Hügel sein, zwischen den Steinen. Die meisten von ihnen werden vermutlich dort hinaufkommen. Wenn Ihr hier Probleme bekommt, ruft uns, aber falls wir nicht kommen sollten, tja … dann tut, was Ihr könnt. Möglicherweise sind wir dann beschäftigt. Oder wir sind tot.«
    »Ich habe Angst«, flüsterte Jezal. Er hatte es gar nicht sagen wollen, aber das machte jetzt auch nicht mehr viel aus.
    Neunfinger nickte allerdings nur. »Ich auch. Wir haben alle Angst.«
    Auf Ferros Gesicht lag ein wildes Lächeln, während sie die Riemen ihres Köchers über der Brust straff zog, den Gurt ihres Schwertgehänges ein Loch enger stellte, den Armschutz befestigte, prüfend die Finger bewegte und an ihrer Bogensehne zupfte, bis alles ordentlich, sauber und bereit für seinen gewalttätigen Einsatz war. Während sie sich auf den Kampf vorbereitete, der ihnen vermutlich allen den Tod bringen würde, sah sie ganz ähnlich aus wie Jezal, wenn er sich für eine Nacht in den Tavernen von Adua zurechtmachte. Ihre gelben Augen leuchteten aufgeregt in dem dämmrigen Licht, als ob sie gar nicht erwarten konnte, dass es endlich losging. Es war das erste Mal, dass sie glücklich auf ihn wirkte. »Sie sieht nicht so aus, als hätte sie Angst.«
    Neunfinger warf ihr einen finsteren Blick zu. »Nun, sie vielleicht nicht, aber sie ist kein Beispiel, dem ich nacheifern möchte.« Er sah ihr einen Augenblick zu. »Manchmal, wenn jemand zu lange der Gefahr ausgesetzt war, fühlt er sich nur noch dann lebendig, wenn ihm der Tod über die Schulter haucht.«
    »Verstehe«, murmelte Jezal. Der Anblick der Schnalle seines eigenen Degengehänges, der Griffe seiner Klingen, so stolz auf Hochglanz poliert, löste in ihm Übelkeit aus. Er schluckte wieder. Verdammt, sein Mund war noch nie so voller Spucke gewesen.
    »Versucht, an etwas anderes zu denken.«
    »An was denn?«
    »Was auch immer Euch jetzt hilft. Habt Ihr Familie?«
    »Einen Vater und zwei Brüder. Ich weiß nicht, wie sehr sie mich mögen.«
    »Dann vergesst sie. Habt Ihr Kinder?«
    »Nein.«
    »Eine Frau?«
    »Nein.« Jezal zog eine Grimasse. Er hatte nichts aus seinem Leben gemacht, außer Karten zu spielen und sich Feinde zu schaffen. Niemand würde ihn vermissen.
    »Aber dann doch eine Geliebte? Sagt mir nicht, dass nicht irgendwo ein Mädchen auf Euch wartet.«
    »Na ja, vielleicht …« Aber er zweifelte nicht daran, dass Ardee schon jemand anderen gefunden haben würde. Sie hatte auf ihn nie einen übertrieben gefühlsduseligen Eindruck gemacht. Vielleicht hätte er ihr die Ehe versprechen sollen, als er die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Dann hätte wenigstens jemand um ihn geweint. »Was ist mit Euch?«, fragte er leise.
    »Was? Eine Familie?« Neunfinger zog die Brauen zusammen und rieb mit grimmiger Miene den Stumpf seines Mittelfingers. »Die hatte ich einmal. Und jetzt habe ich eine andere. Man sucht sich seine Familie nicht aus, man nimmt, was man bekommt und macht das Beste draus.« Er deutete auf Ferro, dann auf Quai. »Ihr seht sie und ihn und Euch?« Seine Hand fiel

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