Feuerklingen (First Law - Band 2)
über die Brustwehr, um zum Graben hinunterzusehen, und hielt sich mit der freien Hand an den zernarbten Steinen fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Das sieht nicht gut aus.
»Sie haben den Graben hier unter uns fast gefüllt, und dort drüben nahe den Toren auch.«
»Das stimmt«, sagte Cosca gut gelaunt. »Sie schleppen ihre Karren bis hierher und versuchen, die Steine reinzukippen. Noch schneller, als wir’s jetzt schon tun, können wir sie aber nicht abschießen.«
»Der Kanal ist unsere beste Verteidigung.«
»Auch das stimmt. Er war eine gute Idee. Aber nichts hält ewig.«
»Er ist das Einzige, was die Gurkhisen daran hindert, Leitern an die Landmauer zu bringen, Rammböcke heranzuschleppen oder sich sogar unter den Mauern hindurchzugraben. Es wäre vielleicht nötig, eine Art Ausfall zu organisieren, um ihn wieder auszuheben.«
Coscas dunkle Augen sahen ihn von der Seite an. »Sich also mit Seilen von der Mauer herunterzulassen und dann in der Dunkelheit zu malochen, keine zweihundert Schritte von den gurkhisischen Linien entfernt? Ist es das, was Ihnen vorschwebt?«
»So ungefähr.«
»Dann wünsche ich Ihnen dabei viel Glück.«
Glokta schnaubte. »Ich würde natürlich gern selbst gehen.« Mit seinem Stock tippte er gegen sein Bein. »Aber ich fürchte, für mich sind die Zeiten der Heldentaten lange vorbei.«
»Da haben Sie aber Glück.«
»Oder auch nicht. Wir sollten eine Barrikade hinter den Toren errichten. Dort liegt unser größter Schwachpunkt. Ein Halbkreis, würde ich vorschlagen, von ein paar hundert Schritten Durchmesser. So würde ein Kessel entstehen, in dem man den Gegner niedermachen kann. Falls es den Gurkhisen gelingen sollte, die Tore zu zerstören, dann könnten wir sie auf diese Weise vielleicht aufhalten, lange genug, um sie zurückzutreiben.«
Vielleicht …
»Ah, sie zurücktreiben.« Cosca kratzte sich an dem Ausschlag an seinem Hals. »Ich bin mir sicher, dass die Freiwilligen sich darum reißen werden, diesen Posten zu übernehmen, wenn der Moment gekommen ist. Aber dennoch, ich kümmere mich darum.«
»Man muss sich ja doch wundern.« General Vissbruck erschien an der Brustwehr, die Hände fest hinter seiner makellosen Uniform verschränkt.
Es überrascht mich, dass er die Zeit findet, sich immer wieder so zurechtzumachen, in der jetzigen Lage. Aber wahrscheinlich klammern wir uns alle an etwas, das uns Halt gibt.
Er schüttelte den Kopf, während er auf die Toten hinuntersah. »Das ist wirklich mutig, uns auf diese Weise anzugreifen, immer wieder und wieder, obwohl unsere Verteidigungsanlagen so stark und gut bemannt sind. Ich habe selten Männer gesehen, die derart bereit waren, ihr Leben zu opfern.«
»Sie verfügen über eine spezielle und gefährliche Eigenschaft«, sagte Cosca. »Sie glauben, sie seien im Recht.«
Vissbruck sah ihn streng unter gerunzelten Brauen an. »Wir sind es, die hier im Recht sind.«
»Wie Sie meinen.« Der Söldner warf Glokta grinsend einen Seitenblick zu. »Aber ich glaube, wir anderen haben die Vorstellung allmählich aufgegeben, dass es so etwas überhaupt gibt. Die munteren Gurkhisen kommen mit ihren Schubkarren heran … und es ist meine Aufgabe, sie mit Pfeilen zu spicken!« Er stieß ein kurzes Lachen aus.
»Ich finde das nicht besonders amüsant«, gab Vissbruck kurz angebunden zurück. »Ein gefallener Feind sollte mit Respekt behandelt werden.«
»Wieso?«
»Weil es jeder von uns sein könnte, der dort unten in der Sonne verfault, und möglicherweise ist es auch genau das, was uns bevorsteht.«
Cosca lachte nur noch lauter und tätschelte Vissbruck am Arm. »Jetzt begreifen Sie es! Eins haben mich zwanzig Jahre Kriegsführung gelehrt – man muss immer versuchen, den Witz an der Sache zu sehen!«
Glokta beobachtete den Styrer, wie er glucksend auf das Schlachtfeld hinabsah.
Überlegt er, wann die beste Zeit für einen Seitenwechsel wäre? Versucht er zu berechnen, wie entschlossen man den Gurkhisen Widerstand bieten sollte, bevor sie besser zahlen werden als ich? In seinem schrundigen Kopf stecken nicht nur lustige Sprüche, das steht fest, aber im Augenblick können wir nicht auf ihn verzichten.
Er warf einen Blick auf General Vissbruck, der ein Stück weitergegangen war, um allein seinen beleidigten Stolz zu pflegen.
Unser untersetzter Freund hat weder das Hirn noch den Mut, um die Stadt länger als eine Woche zu halten.
Er fühlte eine Hand auf der Schulter und wandte sich wieder Cosca zu. »Was
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