Feuerklingen (First Law - Band 2)
Gespräch. Den hätte ich nicht schöner aussuchen können.
»Nun also, wie gefällt Ihnen die Belagerung? Sie ist ein wenig zu laut für meinen Geschmack, aber Ihr Freund Cosca scheint ganz in seinem Element …«
»Wo ist Eider?«
»Was?«, gab Glokta scharf zurück, während er Zeit zu gewinnen versuchte, um sich eine Antwort einfallen zu lassen.
Ich hatte nicht erwartet, dass sie es so schnell herausfindet.
»Eider. Sie erinnern sich? So eine Frau, wie eine teure Hure gekleidet? Das Schmuckstück des Regierungsrats der Stadt? Die versucht hat, uns an die Gurkhisen zu verraten? Ihre Zelle ist leer. Wieso?«
»Ach, die. Die hat das Wasser davongetragen.«
Das stimmt.
»Mit einer fünfzig Schritt langen Kette um den Körper.«
Das stimmt nicht.
»Sie ziert jetzt wohl den Meeresboden der Bucht, wenn Sie schon so fragen.«
Vitaris orangerote Brauen zogen sich misstrauisch zusammen. »Wieso wurde ich nicht benachrichtigt?«
»Ich hatte Besseres zu tun, als Ihnen Bescheid zu sagen. Hier geht es um einen Krieg, den wir gewinnen oder verlieren werden, oder ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?« Glokta wandte sich ab, aber ihre Hand schoss vor und schlug klatschend gegen die Mauer, sodass ihr langer Arm ihm den Weg versperrte.
»Mich informieren heißt, Sult zu informieren. Wenn wir anfangen, ihm verschiedene Geschichten zu erzählen …«
»Wo haben Sie die letzten Wochen gesteckt?« Er lachte leise und deutete auf die verhüllten Toten vor der Wand. »Es ist schon lustig. Je wahrscheinlicher es wird, dass die Gurkhisen unsere Mauern stürmen und jedes Geschöpf in Dagoska erschlagen, desto weniger interessiert mich Seine dämliche Eminenz! Erzählen Sie ihm, was Ihnen gefällt. Sie langweilen mich.« Er schickte sich an, ihren Arm beiseitezuschieben, stellte aber fest, dass sie sich nicht bewegte.
»Und was, wenn ich ihm sagen würde, was Ihnen gefällt?«, flüsterte sie.
Glokta runzelte die Stirn.
Also, das ist jetzt tatsächlich spannend. Sults Lieblingspraktikalin, die hierhergeschickt wurde, um sicherzustellen, dass ich nicht den rechten Pfad verlasse, bietet mir einen Handel an? Ein Trick? Eine Falle?
Ihre Gesichter waren nur noch zwei Handspannen voneinander entfernt, und sein Blick bohrte sich in ihre Augen, als er zu erraten suchte, was sie dachte.
Steht darin ein kleiner Hauch Verzweiflung? Könnte das einzige Motiv tatsächlich der Selbsterhaltungstrieb sein? Wenn man diesen Instinkt selbst verloren hat, dann neigt man dazu zu vergessen, wie stark er in anderen Menschen ist.
Er merkte, dass er zu lächeln begann.
Ja, jetzt erkenne ich es.
»Sie dachten, Sie würden zurück nach Hause beordert, sobald die Verräter gefunden waren, nicht wahr? Sie dachten, Sult würde Ihnen eine hübsche kleine Passage nach Adua arrangieren! Aber jetzt gibt es keine Schiffspassagen mehr, und Sie machen sich Sorgen, dass Ihr netter Onkel Sie vergessen haben könnte! Dass Sie mit dem restlichen Hundefutter den Gurkhisen zum Fraß vorgeworfen werden sollen!«
Vitaris Augen verengten sich. »Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten. Ich habe es mir genauso wenig ausgesucht wie Sie, hierhergesandt zu werden, aber ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass man dann, wenn Sult einen Befehl gibt, besser so tut, als täte man ihm gern seinen Willen. Mir geht es nur um eines – hier lebend herauszugelangen.« Sie kam sogar noch näher. »Können wir einander nicht gegenseitig helfen?«
Können wir das vielleicht? Das frage ich mich wirklich.
»Nun gut. Sagen wir, ich hätte in dem bunten Treiben, das ich mein Leben nenne, noch einen Platz für einen Freund frei. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Sie werden sehen, was Sie tun können?«
»Mehr kann ich Ihnen nicht anbieten. Sie müssen wissen, dass ich nicht besonders gut darin bin, anderen zu helfen. Ich bin ein bisschen außer Übung in der Hinsicht.« Er grinste ihr zahnlos entgegen, schob ihren schlaff gewordenen Arm mit dem Stock aus dem Weg und humpelte dann an den Leichenstapeln vorbei zur Tempeltür zurück.
»Was soll ich Sult über Eider sagen?«
»Sagen Sie ihm die Wahrheit«, rief Glokta ihr über die Schulter zu. »Sagen Sie ihm, sie ist tot.«
Sagen Sie ihm, das sind wir alle.
WAHRER SCHMERZ
»Wo bin ich?«, fragte Jezal, aber sein Kiefer gehorchte ihm nicht.
Die Räder des Karrens quietschen bei jeder Umdrehung, alles war blendend hell und verschwommen, und Geräusche und Licht bohrten sich in seinen brummenden Schädel. Er versuchte zu
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