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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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schlucken, konnte es aber nicht. Er versuchte den Kopf zu heben. Ein wilder Schmerz schoss durch seinen Hals, und ihm drehte sich der Magen um.
    »Hilfe!«, jammerte er, aber nichts war zu hören außer einem blubbernden Krächzen. Was war passiert? Schmerzender Himmel über ihm, schmerzende Bretter unter ihm. Er lag in einem Karren, den Kopf auf einem kratzigen Sack, und wurde gründlich durchgeschüttelt.
    Es hatte einen Kampf gegeben, daran erinnerte er sich. Einen Kampf zwischen den Steinen. Jemand hatte etwas gerufen. Dann ein Krachen und gleißendes Licht, darauf nur noch Schmerz. Selbst daran zu denken tat weh. Er hob den Arm, um nach seinem Gesicht zu tasten, aber er stellte fest, dass das nicht ging. Er versuchte die Beine zu verlagern, sich aufzusetzen, aber das gelang ihm auch nicht. Er bewegte seine Kiefermuskeln, keuchte, stöhnte.
    Seine Zunge fühlte sich fremd an, dreimal so groß wie sonst, und sie füllte ihm den Mund, dass er kaum atmen konnte. Die rechte Gesichtshälfte war eine Maske dumpfen Schmerzes. Mit jedem Rumpeln des Karrens schlugen seine Kiefer aufeinander und sandten brennend heiße Stiche von den Zähnen zu den Augen, dem Hals, sogar bis zu den Haarwurzeln. Über seinem Mund saß ein Verband, und er musste durch den linken Mundwinkel atmen, aber selbst die Luft, die durch seine Kehle streifte, tat weh. Panik griff mit eisernen Klauen nach ihm. Jeder Körperteil schrie. Ein Arm war ihm eng an die Brust gewickelt, aber mit dem anderen konnte er sich schwach an der einen Wagenseite festhalten, und er versuchte, irgendetwas zu tun, sich zu irgendwie rühren, während ihm die Augen aus dem Kopf quollen, das Herz wild klopfte und ihm der Atem hart durch die Nase fuhr.
    »Guh!«, keuchte er, »gurrr!« Und je mehr er zu sprechen versuchte, desto stärker wurde die Qual, und noch stärker, bis sein Gesicht auseinanderzubrechen drohte, bis es ihm schien, der Schädel wolle ihm zerplatzen …
    »Ganz ruhig.« Ein vernarbtes Gesicht tauchte verschwommen über ihm auf. Neunfinger. Jezal griff hastig nach ihm, und der Nordmann nahm seine Hand in seine große Pranke und drückte sie fest. »Ganz ruhig, und jetzt hör mir zu. Es tut weh, ich weiß. Es kommt dir so vor, als wäre es mehr, als du ertragen kannst, aber das stimmt nicht. Du glaubst, du müsstest sterben, aber das wirst du nicht. Das kannst du mir glauben, denn ich habe das erlebt, und ich weiß, wovon ich rede. Jede Minute. Jede Stunde. Jeden Tag wird es besser.«
    Er fühlte Neunfingers andere Hand an seiner Schulter, wie sie ihn sanft wieder in den Wagen drückte. »Du musst nichts weiter tun außer daliegen, und es wird besser. Verstehst du? Du hast die leichte Aufgabe, du verdammter Glückspilz.«
    Jezal ließ seine Glieder schwer werden. Er musste nichts weiter tun, außer dazuliegen. Er drückte die große Hand, und die Hand drückte zurück. Der Schmerz schien nachgelassen zu haben. Es war noch immer schlimm, aber er hatte es im Griff. Sein Atem wurde ruhiger. Seine Augen schlossen sich.
     
    Der Wind fuhr über die kalte Ebene, zerrte an dem kurzen Gras, zerrte an Jezals zerrissenem Mantel, seinem fettigen Haar, den schmutzigen Verbänden, aber er achtete nicht darauf. Was konnte er tun gegen den Wind? Was konnte er überhaupt gegen irgendetwas tun?
    Er saß aufrecht, hatte den Rücken an das Rad des Karrens gelehnt und sah mit geweiteten Augen auf sein Bein. Zwei abgebrochene Speerschäfte waren auf beiden Seiten mit Streifen zerrissenen Tuchs festgebunden worden und hielten es schmerzhaft fest in gerader Stellung. Sein Arm war in keiner besseren Verfassung, er war zwischen zwei Latten eines Schildes eingeklemmt und ihm fest gegen die Brust gebunden, die weiße Hand hing schlaff herunter, und die Finger waren taub und nutzlos wie ein paar Würstchen.
    Es waren armselige Heilungsversuche aus dem Stegreif, von denen sich Jezal sicher war, dass sie nichts fruchten würden. Fast hätte er darüber lachen können, wäre er nicht der unglückliche Patient gewesen. So würde er niemals wieder gesund. Er war zermalmt, gebrochen, am Ende. War er nun ein Krüppel wie jene Unglücklichen, denen er an den Straßenecken Aduas stets aus dem Weg gegangen war? Die kriegsversehrt, zerlumpt und schmutzig den Passanten ihre Arm- oder Beinstümpfe entgegenhielten, die bettelnden Hände nach Kupfermünzen ausstreckten und unliebsame Erinnerungen daran darstellten, dass es eine dunkle Seite am Soldatenleben gab, an die man normalerweise lieber nicht

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