Feuerklingen (First Law - Band 2)
wacklige, einstöckige Hütten, windschiefe Stapel schlecht gebrannter Schlammziegel. Die Menschen waren dunkelhäutig, schäbig gekleidet und sahen hungrig aus. Eine knochige Frau blickte ihnen aus einer Türöffnung hinterher. Ein alter Mann mit nur einem Bein humpelte auf verbogenen Krücken vorüber. In einer engen Gasse flitzten zerlumpte Kinder zwischen Müllhaufen herum. Die Luft war schwer und stank nach Fäulnis und verstopften Abflüssen.
Oder gar keinen Abflüssen.
Überall summten Fliegen. Dicke, zornige Fliegen.
Die einzigen Wesen, die hier gedeihen.
»Hätte ich gewusst, wie schön es hier ist«, meinte Glokta, »wäre ich früher schon einmal hierhergereist. Wie es aussieht, haben die Dagoskaner wirklich sehr vom Beitritt in die Union profitiert, wie?«
Harker fiel die Ironie nicht auf. »Das haben sie, in der Tat. In der kurzen Zeit, in der die Gurkhisen die Stadt beherrschten, hatten sie viele der führenden Bürger versklavt. Jetzt, unter der Union, sind sie wahrhaft frei und können leben und arbeiten, wie es ihnen gefällt.«
»Wahrhaft frei, wie?«
So sieht also die Freiheit aus.
Glokta schaute zu einer Gruppe finster dreinblickender Einheimischer, die sich um einen Marktstand scharten, auf dem einige halb verfaulte Früchte und fliegenübersäte Schlachtabfälle feilgeboten wurden.
»Nun ja, die meisten.« Harker verzog das Gesicht. »Die Inquisition musste ein paar Unruhestifter ausmerzen, als wir hier eintrafen. Vor drei Jahren dann riefen diese undankbaren Schweine zu einer Rebellion auf.«
Nachdem wir ihnen die Freiheit gegeben hatten, wie Tiere in ihrer eigenen Stadt zu leben? Wie schockierend.
»Wir konnten sie natürlich niederschlagen, aber sie hatten unglaublich viel Schaden angerichtet. Seitdem ist den Einheimischen das Tragen von Waffen verboten, und sie dürfen auch die Oberstadt nicht mehr betreten, in der die meisten Weißen leben. Inzwischen ist es ruhiger geworden. Das zeigt nur, dass es wirklich immer wieder das Beste ist, dieses barbarische Pack mit fester Hand zu regieren.«
»Das barbarische Pack hat jedenfalls ziemlich beeindruckende Verteidigungsanlagen gebaut.«
Eine hohe Mauer zog sich vor ihnen durch die Stadt und warf einen langen Schatten auf die heruntergekommenen Häuser der Elendsviertel. Davor erstreckte sich ein breiter Graben, der offenbar frisch ausgehoben und mit angespitzten Pfählen versehen worden war. Eine schmale Brücke führte zu einem Durchgang zwischen hoch aufragenden Türmen. Die schweren Tore standen offen, aber ein Dutzend Männer hielt dort Wache: schwitzende Unionssoldaten mit Stahlhelmen und nietenbeschlagenen Ledermänteln, deren Schwerter und Speere im harten Sonnenlicht glänzten.
»Ein gut bewachtes Tor«, überlegte Vitari laut. »Wenn man bedenkt, dass es sich im Innern der Stadt befindet.«
Harker verzog den Mund. »Seit der Rebellion dürfen die Einheimischen nur dann in die Stadt, wenn sie einen Passierschein besitzen.«
»Und wer bekommt einen solchen Passierschein?«, fragte Glokta.
»Einige besonders geschickte Handwerker und dergleichen, die noch immer in den Diensten der Gewürzhändlergilde stehen, aber hauptsächlich Bedienstete, die in der Oberstadt und in der Zitadelle arbeiten. Viele Unionsbürger, die hier leben, haben einheimische Diener, einige sogar mehrere.«
»Die Einheimischen hier sind aber doch auch Bürger der Union?«
Harker kräuselte die Lippen. »Wie Sie meinen, Herr Superior. Aber man kann ihnen nicht vertrauen, das ist nun mal so. Sie denken nicht wie wir.«
»Tatsächlich?«
Wenn sie überhaupt denken, dann wäre das schon mal eine Verbesserung gegenüber diesem Barbaren hier.
»Diese braunen Teufel sind allesamt Abschaum. Gurkhisen, Dagoskaner, das ist doch alles dasselbe. Diebe und Mörder, allesamt. Am besten ist, man zeigt ihnen, wo ihr Platz ist, und sieht zu, dass sie auch dort bleiben.« Harker blickte finsteren Gesichts auf das in der Sonne bratende Elendsviertel. »Wenn etwas nach Scheiße riecht und auch dieselbe Farbe hat, dann ist es aller Wahrscheinlichkeit nach auch Scheiße.« Er wandte sich um und marschierte über die Brücke.
»Welch ein entzückender und erleuchteter Mensch«, bemerkte Vitari.
Genau das dachte ich auch gerade.
jenseits des Tores befand sich eine gänzlich andere Welt. Hohe Kuppeln, elegante Türme, Mosaiken aus farbigem Glas und Säulen aus weißem Marmor leuchteten in der grellen Sonne. Die Straßen waren breit und sauber, die Häuser in gutem Zustand. Auf
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