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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Gesichtsausdruck, beinahe ein Grinsen, lag auf seinem Gesicht, wie bei einem Schuljungen, den man dabei erwischt hatte, wie er eine Pastete aus der Küche stiehlt. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich dachte, Sie würden länger brauchen.«
    West starrte ihn an und begriff kaum, was vor sich ging. »Länger?«
    »Du verdammtes Arschloch!«, kreischte Cathil, die rückwärtskroch und sich die Hosen wieder hochzog. »Ich bringe dich um, du Sau!«
    Ladisla fasste sich an die Lippe. »Sie hat mich gebissen! Sehen Sie mal!« Damit streckte er seine blutigen Fingerspitzen aus, als seien sie der Beweis für eine Ungeheuerlichkeit, die man ihm gegenüber begangen hatte. West merkte, wie er vorwärtsging. Dem Prinzen fiel an seinem Gesichtsausdruck offenbar etwas auf, jedenfalls machte er einen Schritt zurück und streckte eine Hand hoch, während er sich mit der anderen die Hosen festhielt. »Jetzt kommen Sie, West, es war nur …«
    Ihn überkam keine namenlose Wut. Er war nicht kurzzeitig umnachtet oder spürte, wie sich seine Glieder ganz von selbst bewegten. Er hatte nicht einmal das kleinste bisschen Kopfschmerzen. West war sein ganzes Leben lang noch nie so ruhig, so gelassen, so selbstsicher gewesen. Er entschied sich klaren Geistes für das, was er tat. Sein rechter Arm schoss nach vorn, und die ausgestreckte Handfläche schlug gegen Ladislas Brust. Der Kronprinz zog hörbar die Luft ein, als er nach hinten taumelte. Sein linker Fuß knickte im Morast um. Er setzte den rechten Fuß auf, aber hinter ihm war kein Boden mehr. Seine Brauen hoben sich, sein Mund und seine Augen wurden weit vor stillem Schreck. Der Erbe des Thrones der Union stürzte vor West ab, seine Hände griffen ins Leere, dann drehte er sich in der Luft auf die Seite … und war verschwunden.
    Es folgte ein kurzer, rauer Schrei, ein Aufprall, dann noch einer, und dann war einen Moment lang das Rollen und Klappern von Steinen zu hören.
    Dann war alles still.
    West stand da und blinzelte.
    Er wandte sich Cathil zu.
    Sie stand wie angewurzelt da, ein paar Schritte von ihm entfernt, die Augen weit aufgerissen.
    »Sie … Sie …«
    »Ich weiß.« Es klang gar nicht nach seiner Stimme. Vorsichtig näherte er sich der Abbruchkante und sah hinunter. Ladislas Leichnam lag mit dem Gesicht nach unten über den Felsen tief unter ihnen, Wests zerlumpter Mantel hinter ihm ausgebreitet, die Hose um die Knöchel, ein Knie war entgegen der normalen Richtung gebogen, und unter seinem aufgeschlagenen Schädel sammelte sich ein runder Fleck von dunklem Blut. Er sah so tot aus, wie es nur möglich war.
    West schluckte. Das hatte er getan. Er. Er hatte den Thronerben ermordet. Er hatte ihn kaltblütig umgebracht. Er war ein Verbrecher. Er war ein Verräter. Er war ein Ungeheuer. Und fast hätte er nun am liebsten gelacht. Der sonnige Agriont, wo Loyalität und Ergebenheit selbstverständlich waren, wo die Bürger taten, was jene ihnen befahlen, die gesellschaftlich über ihnen standen, wo man andere Menschen einfach nicht umbrachte, all das war weit weg. Vielleicht war er wirklich ein Ungeheuer, aber hier draußen in der gefrorenen Wildnis Anglands galten andere Gesetze. Die Ungeheuer waren hier in der Überzahl.
    Er fühlte, wie ihm eine schwere Hand auf die Schulter fiel. Als er aufsah, war der ohrlose Kopf des Schwarzen Dow direkt neben ihm. Der Nordmann pfiff leise durch die gespitzten Lippen. »Tja, das war dann wohl sein Ende. Weißt du was, Wildzorn?« Er grinste West von der Seite an. »Du fängst richtig an, mir zu gefallen, Kleiner.«

BIS ZUM LETZTEN MANN
    An Sand dan Glokta, Superior von Dagoska, und für ihn allein

 
Es ist offensichtlich, dass Dagoska Ihren Bemühungen zum Trotz nicht viel länger im Besitz der Union bleiben wird. Daher befehle ich Ihnen, die Stadt sofort zu verlassen und bei mir vorstellig zu werden. Die Kais mögen verloren sein, aber Sie werden sicher keine Schwierigkeiten haben, sich in einem kleinen Boot bei Nacht davonzustehlen. Ein Schiff wird vor der Küste auf Sie warten.

Sie werden das Kommando an General Vissbruck übergeben, dem einzigen Unionisten des Regierungsrats von Dagoska, der noch in der Stadt am Leben ist. Es versteht sich von selbst, dass die Befehle des Geschlossenen Rates an die Verteidiger von Dagoska unverändert dieselben bleiben.

Kämpfen bis zum letzten Mann.

 
Sult

Erzlektor der Inquisition Seiner Majestät
     
    General Vissbruck ließ den Brief langsam sinken, die Kiefer fest zusammengepresst. »Soll ich

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