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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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bewegte sie sich vorwärts und zog ihn ungeduldig hinter sich her.
    Wenn ihn jetzt nur die alte Truppe hätte sehen können. Neunfinger-Logen, der meistgefürchtete Mann im ganzen Norden, der sich aus Angst vor der Dunkelheit fast in die Hosen machte und sich an der Hand einer Frau festhielt, die ihn hasste, wie ein Kind, das sich an die Mutterbrust klammert. Beinahe hätte er laut gelacht. Aber er hatte Angst, dass ihn dann die Schanka hörten.
     
    Neunfingers große Pranke war heiß und klamm vor Angst. Ein unangenehmes Gefühl, wie sich seine klebrige Haut an ihre drückte. Beinahe Übelkeit erregend, aber Ferro zwang sich weiterzugehen. Sie konnte seine Atemzüge hören, schnell und abgehackt, und die tapsigen Schritte, mit denen er hinter ihr her stolperte.
    Es war, als sei es erst gestern gewesen, dass sie beide das letzte Mal in einer solchen Klemme gesteckt hatten, als sie durch die Straßen des Agrionts rannten, sich durch die verdunkelten Gebäude schlichen und die ganze Zeit über gejagt wurden. Es war, als sei es gestern gewesen, aber alles hatte sich inzwischen verändert.
    Damals war er ihr lediglich als eine Bedrohung erschienen. Ein weiterer Rosig, den sie im Auge behalten musste. Hässlich und seltsam, dämlich und gefährlich. Damals wäre er wahrscheinlich der letzte Mann auf der Welt gewesen, dem sie vertraut hätte. Jetzt war er beinahe der einzige. Er hatte sie nicht fallen lassen, obwohl sie ihn dazu aufgefordert hatte. Draußen auf der Ebene hatte er gesagt, dass er durchhalten und dabeibleiben würde, wenn sie es auch tat.
    Jetzt hatte er es bewiesen.
    Sie blickte über ihre Schulter, sah sein bleiches Gesicht ins Dunkel starren. Er hatte die Augen weit aufgerissen, sah aber dennoch nichts, streckte daher die freie Hand aus und tastete sich an den Wänden entlang. Sie hätte ihm dafür vielleicht danken sollen, dass er sie nicht fallen gelassen hatte, aber da hätte sie ja genauso gut zugeben können, dass sie die Hilfe gebraucht hatte. Hilfe brauchen die Schwachen, und die Schwachen sterben oder werden versklavt. Hoffe nie auf Hilfe, dann kannst du nicht enttäuscht werden, wenn keine kommt. Ferro war oft enttäuscht worden.
    Und so zog sie, statt ihm zu danken, an seiner Hand und brachte ihn fast zu Fall.
    Ein Schimmer kalten Lichts kroch allmählich wieder in den Tunnel, und ein ganz leichtes Dämmerlicht lag auf den roh behauenen Steinquadern. »Kannst du jetzt wieder sehen?«, flüsterte sie ihm über die Schulter hinweg zu.
    »Ja.« Sie konnte die Erleichterung in seiner Stimme hören.
    »Dann kannst du loslassen«, erklärte sie kurz angebunden, riss ihre Hand weg und wischte sie an der Vorderseite ihres Hemds ab. Dann drängte sie durch das Halbdunkel weiter vorwärts, dehnte dabei ihre Finger und sah sie an. Es war ein komisches Gefühl.
    Jetzt, da seine Hand weg war, vermisste sie sie beinahe.
    Das Licht wurde heller, es drang aus einem kleinen Torbogen, der vor ihnen lag. Sie schlich darauf zu, trat sanft auf den Fußballen auf und sah vorsichtig um die Ecke. Ein großes Gewölbe öffnete sich vor ihnen, dessen Wände aus glatt geschliffenen Blöcken bestanden, teilweise aus Naturstein, der hoch emporstrebte und seltsame, geschmolzen aussehende Ausbuchtungen hatte; die Decke verlor sich in den Schatten. Ein Lichtstrahl drang von hoch oben hinein und warf einen hellen länglichen Fleck auf den staubbedeckten Boden. Drei Schanka hatten sich dort zusammengerottet, brummten und stritten über etwas, das vor ihnen lag; um sie herum türmten sich überall in großen Haufen, mannshoch und an den Wänden des Gewölbes noch höher aufgeschichtet, Tausende und Abertausende von Knochen.
    »Scheiße«, hauchte Logen direkt hinter ihr. Ein Schädel grinste ihnen von der Ecke des Torbogens entgegen. Menschenknochen, daran bestand kein Zweifel.
    »Sie essen die Toten«, flüsterte sie.
    »Sie tun was? Aber …«
    »Hier verfault nichts.« Bayaz hatte gesagt, die Stadt sei voller Gräber. Zahllose Leichen, die man in Gräbern zu je hundert bestattet hatte. Und dort mussten sie über die langen Jahre gelegen und einander in kalter Umarmung umfangen haben.
    Bis die Schanka kamen und sie herauszerrten.
    »Wir müssen uns irgendwie an ihnen vorbeischleichen«, wisperte Logen.
    Ferro sah in die Schatten und suchte nach einem Weg durch die Halle. Der Hügel aus Knochen war unmöglich zu ersteigen, ohne dass man dabei ein Geräusch machte. Sie ließ ihren Bogen von der Schulter gleiten.
    »Bist du

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