Feuerklingen (First Law - Band 2)
was passiert sein musste, und er stöhnte, als ihm die Tränen in die Augen traten.
Ferros narbiges Gesicht sah ihm aus der heißen Dunkelheit entgegen. Immerhin hatte er sie nicht umgebracht. Das war schon einmal etwas.
»Bist du verletzt?«
Das konnte er nicht beantworten. Er wusste es nicht. Ein bisschen fühlte es sich an, als ob er eine Wunde an der Seite abbekommen hatte, aber es war so viel Blut an ihm, dass das schwer zu sagen war. Als er aufzustehen versuchte, taumelte er gegen einen Amboss und hätte unversehens beinahe in einen glühenden Schmelzofen gefasst. Er blinzelte und spuckte aus, ihm zitterten die Knie. Sengende Feuer flackerten vor seinen Augen. Überall lagen Leichen, ausgestreckte Körper auf dem rußigen Boden. Er blickte sich verständnislos nach etwas um, woran er seine Hände abwischen konnte, aber alles war mit Blut besudelt. Sein Magen rebellierte, und er stolperte auf wackligen Beinen zwischen den heißen Essen zu einem Durchgang in der gegenüberliegenden Wand, eine blutige Hand auf den Mund gepresst.
Dort lehnte er sich gegen den warmen Stein, ließ bitteres Blut und Spucke auf den Boden rinnen, während der Schmerz nach seiner Seite fasste, nach seinem Gesicht, nach seinen geschundenen Knöcheln. Aber wenn er auf Mitleid gehofft hatte, dann war er bei Ferro an die Falsche geraten.
»Weiter geht’s«, fauchte sie. »Los, Rosig, hoch mit dir.«
Er konnte nicht sagen, wie lange er durch die Dunkelheit gestolpert war, wie lange er keuchend versucht hatte, Ferro auf den Fersen zu bleiben, während sein eigener Atem in seinem Schädel dröhnte. Sie krochen durch die Eingeweide der Erde. Durch uralte Säle voller Staub und Schatten, vorbei an steinernen, von Rissen durchzogenen Wänden. Durch Torbogen in gewundene Tunnel, mit lehmigen Decken, gestützt von baufälligen Balken.
Einmal kamen sie an eine Kreuzung, und Ferro schubste ihn wieder in die Dunkelheit an der Mauer, und sie beide hielten den Atem an, als zerlumpte Gestalten den Gang hinunterschlurften, der ihren Weg kreuzte. Weiter und weiter … Gänge, Hallen, Höhlen. Er konnte ihr nur folgen, sich weiterschleppen, bis er wusste, dass er jeden Augenblick umfallen würde vor Müdigkeit. Bis er sicher war, dass er nie wieder das Tageslicht sehen würde …
»Warte«, zischte Ferro. Sie legte ihm die Hand gegen die Brust, um ihn zu bremsen, und warf ihn dabei fast um, weil seine Beine so schwach waren. Ein Bach floss träge neben dem Gang dahin, und sein Wasser schwappte und kräuselte sich in den Schatten. Ferro kniete sich auf den Boden und spähte in den kleinen Tunnel, aus dem das Wasser kam.
»Wenn er flussabwärts in den großen Strom mündet, dann muss seine Quelle außerhalb der Stadt liegen.«
Logen war sich da nicht so sicher. »Was, wenn er … irgendwo … unterirdisch entspringt?«
»Dann finden wir einen anderen Weg. Oder wir ertrinken.« Ferro schulterte ihren Bogen und ließ sich ins Wasser gleiten, das ihr bis an die Brust reichte, die dünnen Lippen fest zusammengepresst. Logen beobachtete, wie sie mit erhobenen Armen weiter watete. Wurde sie niemals müde? Er war so zerschlagen und erledigt, er wollte sich nur noch hinlegen und nie wieder aufstehen. Kurz dachte er darüber nach. Dann wandte Ferro sich um und sah ihn an der Böschung sitzen. »Komm schon, Rosig!«, zischte sie ihm zu.
Logen seufzte. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab sie nicht mehr nach. Er schob zögernd ein zitterndes Bein ins kalte Wasser. »Ich bin hinter dir«, brummte er. »Direkt hinter dir.«
NICHT GUT FÜREINANDER
Ferro kämpfte sich gegen die Strömung voran. Sie stand bis zum Bauch im schnell dahinfließenden Wasser, hatte die Zähne wegen der beißenden Kälte fest zusammengebissen, und Neunfinger planschte und keuchte hinter ihr her. Sie konnte vor sich einen Torbogen erahnen, hinter dem schwaches Licht auf dem Wasser schimmerte. Er war mit einem eisernen Gitter gesichert, aber als sie nahe genug herangewatet war, entdeckte sie, dass die dünnen Stäbe verrostet waren und bereits abblätterten. Sie warf sich mit aller Macht dagegen. Dahinter war der Bach zu sehen, der zwischen felsigen und schlammigen Ufern auf sie zufloss, und darüber hing der Abendhimmel, an dem die ersten Sterne leuchteten.
Freiheit.
Ferro machte sich an dem alten Eisen zu schaffen und stieß scharf die Luft zwischen den Zähnen hervor. Ihre Finger waren langsam und schwach von der Kälte. Neunfinger schob sich nun neben sie und setzte
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