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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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selbst nicht wieder.
    Das abendliche Mahl entsprach jedoch in keiner Hinsicht den Erwartungen, die Jezal an den Tisch einer wichtigen historischen Persönlichkeit gehabt haben mochte. Das Silberzeug war dunkel angelaufen, die Teller abgenutzt und gesprungen, und der Tisch neigte sich derart zu einer Seite, dass Jezal ständig fürchtete, das gesamte Essen werde auf den dreckigen Boden rutschen. Die Gerichte servierte der zerlumpte Türsteher mit derselben Langsamkeit, mit der er ihnen auch geöffnet hatte, und jede Speise kam kälter und eingetrockneter auf den Tisch als die letzte. Den Anfang machte eine zähe Suppe, der jeglicher Geschmack fehlte. Dann ein Stück Fisch, das so lange über dem Feuer gewesen war, dass es sich beinahe in Asche verwandelt hatte, danach ein Stück Fleisch, das so kurz über dem Feuer gewesen war, dass es praktisch noch lebte.
    Bayaz und Cawneil aßen in eisigem Schweigen und starrten einander über die Länge des Tisches hinweg auf eine Weise an, die allen Anwesenden ein mulmiges Gefühl vermittelte. Quai stocherte nur in seinem Essen herum, und seine dunklen Augen huschten aufmerksam zwischen den beiden ältlichen Magi hin und her. Langfuß widmete sich jedem Gang mit großer Hingabe und lächelte die ganze Gesellschaft unverwandt an, als ob sie alle ebenso viel Spaß haben müssten wie er. Logen hielt die Gabel in der Faust, hatte ein finsteres Gesicht aufgesetzt und stach auf seinen Teller ein, als wollte er mordlustige Schanka erlegen, während die aufgeplusterten Ärmel seines Oberkleids dabei gelegentlich ins Essen hingen. Was Ferro betraf, so zweifelte Jezal nicht daran, dass sie sehr wohl mit Besteck umzugehen wusste, aber offenbar hatte sie sich entschlossen, mit den Händen zu essen. Gleichzeitig starrte sie jeden, der es sich traute, ihr ins Gesicht zu blicken, so giftig an, als ob sie geradezu darauf wartete, dass ihr jemand verbot, die Finger zu benutzen. Sie trug noch die von der Reise beschmutzten Kleider, die sie die ganze letzte Woche über am Leib gehabt hatte, und Jezal fragte sich unwillkürlich, ob man ihr wohl ein Kleid zurechtgelegt hatte. Bei der Vorstellung verschluckte er sich beinahe.
    Weder das Essen noch die Gesellschaft oder die Umgebung hätte sich Jezal freiwillig ausgesucht, aber andererseits waren ihnen vor ein paar Tagen die Vorräte ausgegangen. Seitdem hatte ihre Nahrung unter anderem aus ein paar bröseligen Wurzeln bestanden, die Logen an einem Berghang ausgebuddelt hatte, sechs winzigen Eiern, die Ferro aus einem hoch gelegenen Nest gestohlen hatte, und einigen Beeren von unaussprechlicher Bitterkeit, die Langfuß offensichtlich wahllos von einem Strauch gepflückt hatte. Jezal hätte inzwischen sogar mit Appetit seinen Teller gegessen. Mit gerunzelter Stirn bearbeitete er das knorpelige Fleisch und fragte sich, ob der Teller nicht vielleicht auch die schmackhaftere Wahl gewesen wäre.
    »Ist das Schiff noch seefest?«, knurrte Bayaz. Alle sahen auf. Die ersten Worte, die seit einer geraumen Zeit fielen.
    Cawneils dunkles Auge sah ihn kalt an. »Meinst du das Schiff, mit dem Juvens und seine Brüder nach Schabulyan segelten?«
    »Welches sonst?«
    »Dann lautet die Antwort nein. Es ist nicht mehr seefest, sondern auf seiner alten Helling zu grünem Moder verrottet. Aber keine Sorge. Ein anderes wurde gebaut, das ebenfalls verrottete, und dann wieder eins. Die jüngste Ausgabe schaukelt auf den Gezeiten am Ufer, mit Kraut und Muscheln bewachsen, aber stets bemannt und mit allem Nötigen versorgt. Ich habe das Versprechen nicht vergessen, das ich meinem Meister gab. Meine Verpflichtungen habe ich erfüllt.«
    Bayaz’ Brauen zogen sich verärgert zusammen. »Das soll wohl heißen, im Gegensatz zu mir?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Wenn du in meinen Worten einen Vorwurf hörst, dann ist es wohl dein eigenes Schuldgefühl, das dich dazu bringt. Ich stelle mich auf niemandes Seite, wie du weißt. Das habe ich nie getan.«
    »Das sagst du so, als ob Trägheit die größte aller Tugenden wäre«, brummte der Erste der Magi.
    »Manchmal ist sie das, wenn Handeln bedeutet, an eurem Kleinkrieg teilzunehmen. Du vergisst, Bayaz, dass ich all das schon einmal gesehen habe, mehr als einmal, und mir erscheint es nur noch als ein ermüdendes Muster. Die Geschichte wiederholt sich. Der Bruder kämpft gegen den Bruder. Wie Juvens gegen Glustrod kämpfte, Kanedias gegen Juvens, so kämpft Bayaz jetzt gegen Khalul. Kleinere Männer in einer größeren Welt, aber

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