Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
es gar nicht danach aus. »Das ist eine Bibliothek?«
    »Die Große Bibliothek des Westens«, sagte Bayaz, als sie über den ungepflegten Platz in den Schatten der verfallenden Türme traten. »Hier machte ich die ersten zögernden Schritte im Erlernen der Hohen Künste. Hier lehrte mich mein Meister das Erste Gebot. Er lehrte es mich wieder und wieder, bis ich es fehlerlos in jeder bekannten Sprache aufsagen konnte. Es war ein Ort der Gelehrsamkeit, der Wunder und der größten Schönheit.«
    Langfuß saugte an seinen Zähnen. »Die Zeit ist mit diesem Ort nicht gerade freundlich umgesprungen.«
    »Die Zeit ist niemals freundlich.«
    Ihr Führer sagte einige kurze Worte und deutete auf eine hohe Tür, von der die grüne Farbe überall abblätterte. Dann schlurfte er davon, nachdem er sie alle noch einmal mit tiefstem Misstrauen gemustert hatte.
    »Heutzutage will einem einfach niemand mehr gute Dienste leisten«, bemerkte der Erste der Magi und sah verärgert dem Bauern nach, dann hob er seinen Stab und klopfte dreimal kräftig an die Tür. Es folgte ein längeres Schweigen.
    »Bibliothek?«, hörte Jezal Ferro das ihr unvertraute Wort noch einmal wiederholen.
    »Für Bücher«, erklärte Logen.
    »Bücher«, schnaubte sie. »Was für eine verdammte Zeitverschwendung.«
    Hinter dem Tor waren nun unbestimmte Geräusche zu hören: Offenbar näherte sich innen jemand, der die ganze Zeit gereizt vor sich hin murmelte. Dann klickten und knirschten mehrere Schlösser, und die wettergegerbte Tür schwang quietschend auf. Ein Mann in fortgeschrittenem Alter und mit ausgeprägtem Buckel starrte sie verblüfft an, ein unverständlicher Fluch blieb ihm im Hals stecken, während eine brennende Kerze sein runzliges Gesicht von einer Seite ein wenig erleuchtete.
    »Ich bin Bayaz, der Erste der Magi, und ich wünsche Cawneil zu sprechen.« Der Diener starrte ihn unverwandt an. Jezal erwartete beinahe, dass ihm ein wenig Speichel aus dem zahnlosen Mund tropfen würde, nachdem er ihn so weit geöffnet hielt. Offenbar kamen hier nicht allzu oft Besucher vorbei.
    Die flackernde Kerze reichte nicht annähernd aus, um die weite Halle hinter dem Tor auszuleuchten. Schwere Tische bogen sich unter halsbrecherisch aufgetürmten Bücherstapeln. An jeder Wand standen hohe Regale, so hoch, dass sie sich in dem Dämmerlicht über ihren Köpfen verloren. Schatten zuckten über ledergebundene Buchrücken aller Größen und Farben, über Bündel loser Pergamente und über Schriften, die nachlässig aufgerollt zu schiefen Pyramiden gestapelt waren. Licht funkelte und blitzte über silberne Verzierungen, goldene Ornamente und verstaubte Juwelen, die dicke Bände von beängstigendem Umfang schmückten. Eine lange Treppe, das Geländer vom Vorbeigleiten zahlloser Hände blank gescheuert und die Stufen in der Mitte vom Darübereilen zahlloser Füße ausgetreten, schwang sich inmitten dieser Anhäufung uralten Wissens hinunter. Auf jeder Fläche lag eine dicke Staubschicht. Eine besonders kräftige Spinnwebe verklebte sich in Jezals Haaren, als er die Schwelle überschritt, und er versuchte sie mit angeekeltem Gesicht wieder zu entfernen.
    »Die Dame des Hauses«, schnaufte der Türsteher mit eigentümlichem Akzent, »hat sich bereits auf ihre Lagerstatt begeben.«
    »Dann weckt sie«, gab Bayaz kurz zurück. »Der Tag verdunkelt sich, und ich bin in Eile. Wir haben keine Zeit für …«
    »Sieh an, sieh an.« Eine Frau stand auf der Treppe. »Wirklich dunkel ist die Stunde, wenn alte Geliebte wieder an meine Tür klopfen.« Eine tiefe Stimme, zähflüssig wie Sirup. Sie schwebte die Stufen mit übertriebener Langsamkeit hinab, und die langen Nägel ihrer einen Hand fuhren über das gewundene Geländer. Sie schien wohl mittleren Alters zu sein: groß, dünn, elegant, mit einem Vorhang langen schwarzen Haars, das ihr halbes Gesicht verdeckte.
    »Schwester. Wir haben Dringendes zu besprechen.«
    »Ach, haben wir das?« Das eine Auge, das Jezal sehen konnte, war groß, dunkel, schwerlidrig und von leicht entzündetem, tränendem Rosa eingefasst. Gemächlich, träge, beinahe schläfrig glitt es über die Reisenden. »Wie fürchterlich ermüdend.«
    »Ich bin erschöpft, Cawneil, ich habe keine Lust auf deine Spielchen.«
    »Wir sind alle erschöpft, Bayaz. Wir sind alle schrecklich erschöpft.« Sie stieß einen langen, theatralischen Seufzer aus, als sie schließlich das Ende der Treppe erreicht hatte und über den unebenen Boden auf die Reisenden zuging.

Weitere Kostenlose Bücher