Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
Gesicht. »Unschuld? Die flüchtigste und wertloseste aller Tugenden. Eine, auf die ich niemals Wert legte.«
    »Vielleicht ist das dann das Einzige, zu dem du dich tatsächlich nie gelegt hast.«
    »Sehr schön, mein Lieber, eine sehr lustige Bemerkung. Es war tatsächlich deine Schlagfertigkeit, die mir mehr gefiel als alles andere. Khalul war der geschicktere Liebhaber, das stimmt wohl, aber er hatte niemals deine Leidenschaft oder deinen Mut.« Sie spießte ein Stück Fleisch energisch mit ihrer Gabel auf. »Bis an den Rand der Welt zu reisen, in deinem Alter? Um jenes Ding zu stehlen, das unser Meister uns verbot? Das erfordert wirklich Kühnheit.«
    Bayaz sah verächtlich auf den Tisch hinab. »Was weißt du von Kühnheit? Du, die in all den langen Jahren nichts geliebt hat außer sich selbst? Die nichts riskiert, nichts gegeben, nichts geschaffen hat? Du, die all die Gaben, die du von unserem Meister erhieltest, verfaulen lässt! Erzähle deine Geschichten dem Staub hier, Schwester. Sie kümmern niemanden, mich schon gar nicht.«
    Die zwei Magi sahen einander in eisigem Schweigen an, und die Luft im Raum war dick von ihrer siedenden Wut. Die Beine von Neunfingers Stuhl scharrten sanft über den Boden, als er sich vorsichtig weiter vom Tisch entfernte. Ferro saß ihm gegenüber und trug einen Ausdruck tiefsten Misstrauens im Gesicht. Malacus Quai zeigte seine Zähne, die wilden Augen auf seinen Meister gerichtet. Jezal konnte nur dasitzen und den Atem anhalten und hoffen, dass diese unverständliche Streiterei nicht damit endete, dass jemand in Brand geriet. Schon gar nicht er.
    »Nun«, murmelte Bruder Langfuß, »ich für meinen Teil würde unserer Gastgeberin gern für das hervorragende Essen danken …« Die zwei alten Magi straften ihn beide gleichzeitig mit einem erbarmungslosen Blick. »Jetzt, da wir nahe … an unserem Bestimmungsort sind … äh …« Und der Wegkundige schluckte und sah auf seinen Teller. »Ist ja auch egal.«
     
    Ferro saß nackt da, ein Bein an die Brust gezogen, pulte an dem Schorf auf ihrem Knie und machte ein finsteres Gesicht.
    Der Blick galt den schweren Wänden des Zimmers, vor allem, wenn sie sich das große Gewicht von all den alten Steinen vorstellte, die sie umgaben. Sie wusste noch gut, wie sie die Wände von Uthmans Palast angestarrt hatte, wie sie sich zu dem kleinen Fenster hochgezogen hatte, bis sie die Sonne auf ihrem Gesicht fühlte und von Freiheit träumen konnte. Sie erinnerte sich an das reibende Gefühl des Eisens um ihren Knöchel, an die lange dünne Kette, die so viel stärker war, als sie aussah. Wie sie damit gekämpft hatte, sie hatte mit den Zähnen und den Fingern versucht, sie aufzubrechen und an ihrem Fuß gezerrt, bis das Blut von der abgeschürften Haut rann. Sie hasste Mauern. Für sie waren sie stets die Klauen einer Falle.
    Auch das Bett bedachte sie mit bösem Blick. Sie hasste Betten, Matratzen und Kissen. Weiche Dinge machen dich weich, und das konnte sie nicht gebrauchen. Sie erinnerte sich, wie sie in der Dunkelheit auf einem weichen Bett gelegen hatte, kurz nachdem sie versklavt worden war. Als sie noch ein Kind gewesen war, klein und schwach. Wie sie in der Dunkelheit gelegen und darum geweint hatte, allein sein zu dürfen. Ferro riss hart an dem Schorf und fühlte, wie Blut dahinter hervortrat. Sie hasste das weiche, dumme Kind, das zugelassen hatte, dass es in eine solche Falle geriet. Sie verabscheute die Erinnerung daran.
    Aber vor allem traf ihr Blick Neunfinger, der auf dem Rücken lag, die Decken um ihn zerknautscht, den Kopf zurückgelegt und den Mund geöffnet. Er hatte die Augen geschlossen, der Atem fuhr sanft aus seiner Nase, und einen bleichen Arm hatte er in einem unbequem aussehenden Winkel abgeknickt. Er schlief wie ein Kind. Wieso hatte sie ihn gefickt? Und wieso tat sie es immer wieder? Nie hätte sie ihn anfassen dürfen. Nie hätte sie ihn ansprechen dürfen. Sie brauchte ihn nicht, den hässlichen, großen, närrischen Rosig.
    Sie brauchte niemanden.
    Sie erschauerte und kroch zu ihm zurück, wo es wärmer war. Er stöhnte im Schlaf und drehte sich auf die Seite. Ferro erstarrte und wäre beinahe aus dem Bett gesprungen. Sein Arm glitt über ihre Seite, und er brummte etwas in ihr Ohr, sinnlose Schlaflaute, sein Atem fuhr heiß gegen ihren Hals.
    Sein großer warmer Körper gab ihr nicht mehr ganz so sehr das Gefühl, gefangen zu sein, wenn er sich an ihren Rücken schmiegte. Das Gewicht seiner bleichen Hand lastete

Weitere Kostenlose Bücher