Feuerklingen (First Law - Band 2)
Mal seine Flügel ausbreitet, und sie zeigten Gloktas Instrumente in all ihrer glitzernden, fesselnden, schrecklichen Schönheit. Er sah, wie sich Angst, aber auch Faszination in Tulkis’ Augen zeigte.
»Ich bin der Beste, den es gibt.« Glokta stieß einen langen Seufzer aus und verschränkte die Hände. »Das hat nichts mit Stolz zu tun, das ist einfach eine Tatsache. Sie wären nicht hier bei mir, wenn es anders wäre. Ich sage Ihnen das nur, um alle Zweifel auszuräumen. Und damit Sie meine nächste Frage beantworten können, ohne sich etwas vorzumachen. Sehen Sie mich an.« Er wartete, bis Tulkis’ dunkle Augen die seinen trafen. »Gestehen Sie?«
Es entstand eine Pause. »Ich bin unschuldig«, flüsterte der Gesandte.
»Das war nicht meine Frage. Ich wiederhole sie noch einmal. Gestehen Sie?«
»Das kann ich nicht.«
Sie sahen einander eine Weile an, und Glokta hegte keinerlei Zweifel mehr.
Er ist unschuldig. Wenn es ihm gelungen wäre, die Mauern des Palasts zu überwinden und ins Fenster des Prinzen einzusteigen, ohne dass man ihn entdeckte, dann hätte er sich doch sicher auch aus dem Agriont geschlichen, bevor wir das gemerkt hätten? Wieso sollte er bleiben, schlafen, sein blutiges Gewand im Schrank hängen lassen, damit wir es ohne weiteres finden? Die Spur ist so breit, dass selbst ein Blinder ihr folgen könnte. Wir werden getäuscht, und das noch nicht einmal besonders geschickt. Den falschen Mann zu strafen, das ist eine Sache. Aber sich zum Narren halten lassen? Das ist eine andere.
»Einen Augenblick«, sagte Glokta. Er wand sich aus seinem Stuhl und ging zur Tür, schloss sie sorgfältig, humpelte die Stufen zum Nebenraum hinauf und trat ein.
»Was, zur Hölle, tun Sie hier?«, fauchte ihn der Erzlektor an.
Glokta beugte den Kopf als Zeichen tiefen Respekts. »Ich versuche, die Wahrheit ans Licht zu bringen, Euer Eminenz …«
»
Was
versuchen Sie? Der Geschlossene Rat wartet auf ein Geständnis, und Sie faseln hier
wovon
?«
Glokta hielt dem Blick des Erzlektors stand. »Was ist, wenn er nicht lügt? Was, wenn der Imperator tatsächlich Frieden anbietet? Was, wenn er unschuldig ist?«
Sults kalte blaue Augen starrten Glokta ungläubig an. »Haben Sie in Gurkhul nur die Zähne verloren oder gleich Ihren Verstand? Es kümmert niemanden einen Dreck, ob er unschuldig ist! Wir müssen uns jetzt darum kümmern, die nötigen Schritte zu tun! Wir brauchen seine Unterschrift auf dem Papier, Sie … Sie …«, beinahe schäumte er aus dem Mund, und seine Fäuste ballten und lockerten sich wieder, »… Sie verkrüppelter Schatten eines Mannes! Bringen Sie ihn dazu, dass er unterschreibt, dann können wir das Buch hier schließen und uns damit beschäftigen, denen im Offenen Rat die Ärsche zu lecken!«
Glokta beugte den Kopf noch tiefer. »Jawohl, Euer Eminenz.«
»Ihre perverse Besessenheit mit der Wahrheit wird mir ja wohl heute Nacht keine weiteren Scherereien machen? Ich würde auch lieber eine Nadel als einen Spaten verwenden, aber egal wie, ich bekomme ein Geständnis von diesem Bastard! Oder muss ich nach Goyle schicken?«
»Natürlich nicht, Euer Eminenz.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie da wieder reingehen, und besorgen … Sie … seine … Unterschrift!«
Glokta verließ schlurfend das Zimmer, brummte vor sich hin, streckte den Kopf zu allen Seiten, rieb sich die wunden Handflächen, ließ die Schultern kreisen und hörte schließlich das vertraute Knirschen der Gelenke.
Eine schwierige Befragung.
Severard saß im Schneidersitz auf dem Boden vor der Tür, den Kopf gegen die dreckige Mauer gelehnt. »Hat er unterschrieben?«
»Natürlich.«
»Na prima. Wieder ein gelüftetes Geheimnis, was?«
»Ich bezweifle das. Er ist kein Verzehrer. Nicht so wie Schickel jedenfalls. Er empfindet Schmerz, das können Sie mir glauben.«
Severard zuckte die Achseln. »Sie sagte, dass jeder mit anderen Fähigkeiten ausgestattet ist.«
»Das sagte sie, das stimmt.«
Aber dennoch.
Glokta wischte sich sein tränendes Auge.
Irgendjemand hat den Prinzen umgebracht. Irgendjemand hat einen Vorteil von seinem Tod. Ich wüsste gern, wer das ist, auch wenn das sonst niemanden interessiert.
»Ich habe noch weitere Fragen, die ich stellen muss. Der Ritter, der gestern Abend vor den Gemächern des Prinzen Wache stand. Ich will ihn sprechen.«
Der Praktikal hob die Augenbrauen. »Wieso? Wir haben doch das Papier, oder nicht?«
»Holen Sie ihn einfach.«
Severard streckte die Beine aus und sprang auf.
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