Feuerklingen (First Law - Band 2)
zurück. West sah ihm nach, während ihm der Gedanke durch den Kopf ging, dass Felnigg keine Ahnung hatte, wie ungehörig die Lage tatsächlich war. Er wandte sich an einen Adjutanten.
»Marschall Burr befiehlt den Einsatz der Reserve am rechten Flügel. Die Männer sollen Bethods Kavallerie angreifen und zurücktreiben. Wenn die Flanke dort geschwächt wird, droht eine Katastrophe. Haben Sie verstanden?«
»Ich brauche aber einen schriftlichen Befehl vom Herrn Marschall …«
»Es ist keine Zeit für schriftliche Befehle!«, brüllte West. »Sehen Sie zu, dass Sie wegkommen, und tun Sie Ihre Pflicht!«
Der Adjutant eilte gehorsam durch den Schnee davon, den Hügel hinunter und auf die beiden Reserveregimenter zu, die geduldig im Schnee warteten. West sah ihm nach und spielte nervös mit den Fingern. Die Männer saßen auf und begannen sich auf einen Angriff vorzubereiten. West kaute noch an seiner Lippe, als er sich wieder umdrehte. Die Offiziere und Wachleute von Burrs Stab sahen ihn an, und ihr Gesichtsausdruck reichte von milde verwundert zu höchst misstrauisch.
Er nickte einigen von ihnen zu, als er zurück zum Zelt ging, und versuchte den Eindruck zu erwecken, dass alles seine Ordnung hatte. Wie lange es wohl dauern würde, bevor sich schlicht jemand weigerte, seine Befehle auszuführen, bevor sich jemand ins Zelt drängte, bevor jemand entdeckte, dass Lord Marschall Burr auf halbem Weg ins Land der Toten war, und das schon eine ganze Weile? Ob es geschehen würde, bevor der Feind unten im Tal durch die Reihen brach, und der Befehlsstand von Nordmännern überrannt wurde? Falls es danach geschah, war es vermutlich ohnehin egal.
Pike sah zu ihm mit einer Miene hinüber, die so etwas wie ein Grinsen hätte sein können. West hätte gern zurückgegrinst, aber er fühlte sich einfach nicht danach.
Der Hundsmann saß da und atmete tief durch. Er lehnte sich gegen den umgestürzten Baum, sein Bogen hing lose in seiner Faust. Ein Schwert war neben ihm in den nassen Boden gebohrt. Er hatte es einem toten Carl abgenommen und gleich zum Einsatz gebracht, und so wie es aussah, würde er es noch öfter schwingen müssen, bevor der Tag zu Ende ging. Es war Blut an ihm – auf seinen Händen, seiner Kleidung, überall. Cathils Blut, Plattkopfblut, sein eigenes. Es schien wenig Sinn zu machen, es abzuwischen – es würde schnell wieder neues dazukommen.
Dreimal waren die Schanka nun gegen den Hügel gestürmt, und dreimal hatten sie die Geschöpfe abgewehrt. Jeder Kampf war schwerer gewesen als der vorige. Hundsmann fragte sich, ob es ihnen noch einmal gelingen würde, wenn sie wiederkämen. Dass sie das tun würden, daran zweifelte er nicht. Keinen Augenblick. Wann und wie viele, das waren die Fragen, die ihn beschäftigten.
Durch die Bäume konnte er das Jammern und Schreien der verwundeten Unionisten hören. Viele Verwundete. Einer der Carls hatte beim letzten Sturm eine Hand verloren. Na ja, verloren war vielleicht das falsche Wort, sie war vielmehr von einer Axt abgetrennt worden. Danach hatte er sehr laut geschrien, aber nun war er still und atmete leise und keuchend. Sie hatten den Stumpf mit einem Lappen und einem Gürtel abgebunden, und jetzt starrte er ihn mit diesem Blick an, wie ihn die Verwundeten manchmal haben. Ganz blass und mit großen Augen, als könnte er noch nicht begreifen, was er da sah. Als ob es eine ständig neue Überraschung für ihn bedeutete.
Hundsmann erhob sich langsam und spähte über den umgestürzten Baum. Er konnte die Plattköpfe sehen, unten im Wald. Wie sie da in den Schatten saßen. Warteten. Es gefiel ihm nicht, wie sie dort lauerten. Schanka greifen einen an, bis man erledigt ist, oder sie hauen ab.
»Worauf warten die?«, zischte er. »Seit wann haben die verdammten Plattköpfe gelernt zu warten?«
»Seit wann haben sie gelernt, für Bethod zu kämpfen?«, knurrte Tul, der sein Schwert sauber wischte. »Es hat sich vieles geändert, und nichts davon zum Besseren.«
»Wann hat sich je etwas zum Besseren verändert?«, warf Dow verächtlich ein, der in der Linie etwas weiter entfernt stand.
Hundsmann runzelte die Stirn. Seine Nase nahm einen neuen Geruch auf, wie aufsteigende Feuchtigkeit. Da war etwas Blasses zwischen den Bäumen, das immer heller wurde, je länger er hinsah. »Was ist das? Dieser Nebel?«
»Nebel? Hier oben?« Dow kicherte so rau wie eine krächzende Krähe. »Um diese Tageszeit? Ha! Aber warte mal …« Sie sahen es jetzt alle, eine seltsame
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