Feuerklingen (First Law - Band 2)
Stunden. Wir sollten alle unsere Wache übernehmen.«
Langsam, leise und mit verkrampftem Gesicht, weil sie auf jeden Fall jegliches Geräusch vermeiden wollte, stahl Ferro aus dem Karren. Trockenfleisch. Trockenes Brot. Eine Wasserflasche. Genug, damit sie ein paar Tage überleben konnte. Sie stopfte die Sachen in einen Leinenbeutel.
Eines der Pferde schnaubte und scheute, als sie an ihm vorüberschlich, und sie sah es böse an. Sie konnte reiten. Sie konnte sogar gut reiten, aber sie wollte nichts mit Pferden zu tun haben. Verdammt dämliche, große Viecher. Sie rochen schlecht. Vielleicht waren sie schnell, nun gut, aber sie brauchten zu viel Futter und Wasser. Man konnte sie meilenweit sehen und hören. Und sie hinterließen breite Spuren, denen man leicht folgen konnte. Wenn man ein Pferd ritt, wurde man schwach. Man verließ sich auf das Pferd, und wenn man dann einmal selbst laufen musste, stellte man fest, dass man es nicht mehr konnte.
Ferro hatte gelernt, sich auf niemand anderen zu verlassen als auf sich selbst.
Sie nahm den Beutel über die eine Schulter, ihren Köcher und den Bogen über die andere. Dann warf sie einen letzten Blick auf die schlafenden Umrisse der anderen, dunkle, kleine Hügel rund um das Feuer. Luthar hatte sich die Decke bis unters Kinn gezogen und das Gesicht mit der weichen Haut und den vollen Lippen der niedergebrannten Glut zugewandt. Bayaz drehte ihr den Rücken zu, aber sie sah die Konturen eines dunklen Ohrs und das schwache Licht, das auf seinem kahlen Kopf glänzte; und sie hörte sein langsames Atmen. Langfuß hatte sich die Decke über den Kopf gezogen, dafür sahen seine nackten Füße am anderen Ende hervor, dünn und knochig, und die Sehnen standen vor wie Baumwurzeln am Uferrand. Quais Augen waren einen winzigen Schlitz geöffnet, und das Licht des Feuers spiegelte sich auf einem schmalen Streifen Augapfel. Es sah aus, als beobachte er sie, aber seine Brust hob und senkte sich langsam, der Mund war leicht geöffnet, und er schlief zweifelsohne fest und träumte.
Ferro runzelte die Stirn. Nur vier? Wo war der große Rosig? Seine Decke lag auf der entgegengesetzten Seite des Feuers in Falten wie eine Landschaft schattiger Täler und heller Berghänge, aber es war niemand darunter. Dann hörte sie seine Stimme.
»Gehst du schon?«
Hinter ihr. Das war eine Überraschung, dass er einfach so hinter sie getreten war, während sie die Vorräte stahl. Er machte stets den Eindruck, als sei er zu groß, zu schwerfällig und zu laut, um sich an jemanden anzuschleichen. Sie fluchte leise. Sie hätte wissen sollen, dass man ihn nicht nach dem Anschein beurteilen sollte.
Langsam wandte sie sich zu ihm um und machte einen Schritt auf die Pferde zu. Er folgte ihr und hielt den Abstand zwischen ihnen aufrecht. Ferro sah das Glühen des Feuers an der einen Seite seiner beider Augen, eine geschwungene, vernarbte, stopplige Wange, den vagen Umriss seiner gekrümmten Nase, ein paar Strähnen fettigen Haars, die leicht in der Brise wehten und sich leicht von dem dunklen Land hinter ihm abhoben.
»Ich will nicht mit dir kämpfen, Rosig. Ich habe gesehen, wie du kämpfst.« Sie war dabei gewesen, als er fünf Männer in wenigen Augenblicken getötet hatte, und das war wirklich völlig unerwartet geschehen, sogar für sie. Die Erinnerung an sein Gelächter, das von den Wänden widergehallt war, sein verkrampftes, hungriges Gesicht, verzerrt halb vor Gehässigkeit, halb vor Lachen, während er in Blut, in Spucke und in Irrsinn getaucht zwischen den verkrümmten Leichen gestanden hatte, die wie Lumpensäcke auf den Fliesen um ihn herum gelegen hatten, war ihr noch viel zu deutlich in Erinnerung. Nicht, dass sie Angst hatte, natürlich nicht, denn Ferro Maljinn kannte keine Angst.
Aber sie wusste, wann sie sich in Acht nehmen musste.
»Ich will auch nicht gegen dich kämpfen«, sagte er. »Aber wenn Bayaz morgen früh feststellt, dass du verschwunden bist, dann lässt er mich nach dir suchen. Ich habe dich laufen sehen, und ich würde eher gegen dich kämpfen als dir nachjagen. Da hätte ich zumindest etwas bessere Aussichten.«
Er war stärker als sie, und sie wusste das. Seine Verletzungen waren wieder fast geheilt, und er bewegte sich ganz mühelos. Jetzt bedauerte sie, dass sie ihn versorgt hatte. Es war immer ein Fehler, anderen zu helfen. Ein Kampf war ein großes Risiko. Sie war vielleicht härter als viele andere, aber sie verspürte nicht den geringsten Wunsch, dass er ihr
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