Feuerklingen (First Law - Band 2)
unsere Welt und die Andere Seite miteinander verbunden, heißt es in den Legenden. Dämonen zogen über das Land und taten, was ihnen gefiel. Es herrschte Chaos jenseits aller Vorstellungskraft. Sie vereinigten sich mit Menschen, und ihre Nachfahren waren Halbblüter. Halb Mensch, halb Dämon. Teufelsblüter. Ungeheuer. Einer von ihnen nahm den Namen Euz an. Er befreite die Menschheit von der Tyrannei der Dämonen, und die Wucht seiner Kämpfe gegen sie formte das Land. Er trennte die Oberwelt von der Unterwelt und versiegelte die Tore, die es zwischen ihnen gab. Um zu verhindern, dass je wieder eine solche Zeit des Schreckens anbrechen könnte, erließ er das Erste Gebot. Es ist verboten, die Andere Seite zu berühren oder mit Teufeln zu sprechen.«
Logen beobachtete, wie die anderen Ferro ansahen. Luthar und Quai bestaunten beide mit gerunzelter Stirn ihre unfassbare Treffsicherheit. Sie lehnte sich weit im Sattel zurück, spannte die Bogensehne bis zum Äußersten und hielt die schimmernde Spitze des nächsten Pfeils völlig ruhig, während sie ihr Reittier mit den Hacken weiterhin nach links und rechts lenkte. Logen konnte ein Pferd schon mit den Zügeln in der Hand kaum dazu bewegen, dass es das tat, was er wollte, aber er verstand nicht, was Bayaz’ verrückte Geschichte damit zu tun hatte. »Teufel und so, das Erste Gebot.« Logen machte eine abschätzige Handbewegung. »Na und?«
»Von Anfang an steckte das Erste Gebot voller Widersprüche. jegliche Magie kommt von der Anderen Seite und fällt auf das Land wie das Licht, das von der Sonne herabstrahlt. Euz selbst war zum Teil Teufel, ebenso wie seine Söhne – Juvens, Kanedias, Glustrod – und noch andere außer ihm. Durch ihr Blut verfügten sie über besondere Begabungen, aber es war auch ein Fluch. Es verlieh ihnen Macht, Langlebigkeit, Stärke oder Augenlicht weit über die Fähigkeiten einfacher Menschen hinaus. Sie gaben ihr Blut weiter an ihre Kinder, und dabei wurde es schwächer, und dann an ihre Kindeskinder, über lange Jahrhunderte hinweg. Die besonderen Begabungen blieben schließlich einmal bei einer Generation aus, das geschah dann immer öfter, und am Ende wurden sie sehr, sehr selten. Das Teufelsblut wurde schwach und starb aus. Heute, da unsere Welt und die Unterwelt so weit auseinandergedriftet sind, kommt es nur noch sehr selten vor, dass man diese Fähigkeiten zu Gesicht bekommt. Es ist wahrlich eine große Gnade, dass wir das miterleben dürfen.«
Logen hob die Augenbrauen. »Sie? Sie ist zur Hälfte ein Teufel?«
»Viel weniger als zur Hälfte, mein Freund.« Bayaz kicherte in sich hinein. »Euz selbst war ein halber Teufel, und seine Kräfte konnten Berge umstürzen und Meere aushöhlen. Eine Hälfte könnte in Eurem Blut so viel Entsetzen und Begehren hervorrufen, dass Euer Herz stillstehen würde. Der bloße Anblick könnte Euch erblinden lassen. Keine Hälfte. Nicht mehr als ein Bruchteil. Aber in ihr findet sich eine Spur der Anderen Seite.«
»Der Anderen Seite, was?« Logen sah auf den toten Vogel in seiner Hand. »Wenn ich sie also berührte, bräche ich dann das Erste Gebot?«
Bayaz lachte glucksend. »Das ist eine sehr feinsinnige Frage. Ihr überrascht mich immer wieder, Meister Neunfinger. Ich frage mich, was Euz dazu sagen würde?« Der Magus spitzte die Lippen. »Ich würde es wohl über mich bringen, es Euch zu vergeben. Sie hingegen«, und Bayaz neigte den kahlen Kopf in Ferros Richtung, »würde Euch vermutlich die Hand abhacken.«
Logen lag auf dem Bauch und spähte durch das hohe Gras in ein sanft abfallendes Tal, auf dessen Grund ein seichter Bach dahinfloss. Auf ihrer Seite dieses kleinen Flüsschens standen einige niedrige Gebäude oder vielmehr Ruinen. Sie trugen keine Dächer mehr, nur noch die eingestürzten Mauern waren zu sehen; die meisten waren kaum mehr als hüfthoch, und die herabgefallenen Steine lagen auf den Hängen des Tals im wogenden Gras verstreut. Es war wie eine Szenerie aus dem Norden. Dort waren seit den Kriegen viele Dörfer verlassen. Die Menschen waren mit Feuer und Gewalt verjagt und vertrieben worden. Logen hatte das oft erlebt. Mehr als einmal hatte er auch daran mitgewirkt. Er war nicht stolz darauf, aber das war er ohnehin auf nur sehr wenige Dinge, die zu dieser Zeit geschehen waren. Oder zu irgendeiner anderen, wenn er jetzt darüber nachdachte.
»Da ist nicht mehr viel übrig, um drin zu leben«, flüsterte Luthar.
Ferro warf ihm einen bösen Blick zu. »Aber noch
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