Feuerklingen (First Law - Band 2)
angekommen, hielt sie einen Moment inne, bis sie einen sicheren Stand gefunden hatte, dann sprang sie durch die Luft, direkt über Logens Kopf, landete auf der nächsten Mauer und kletterte hinauf, wobei sie einen Schauer von Putz und Kieseln auf sein Gesicht niederregnen ließ. Auf der Spitze hockte sie sich hin und sah zu ihm hinunter. »Versucht mal, nicht zu viel Lärm zu machen«, zischte sie und war verschwunden.
»Habt ihr das gesehen …«, murmelte Logen, aber die anderen waren schon weiter in die feuchten Schatten gezogen, und er eilte ihnen nach; auf diesem überwachsenen Friedhof wollte er nicht allein zurückbleiben. Quai hatte seinen Wagen ein Stück weiter geschoben und sich dagegen gelehnt, gleich bei den unruhigen Pferden. Der Erste der Magi kniete neben ihm im Unkraut und rieb mit den Handflächen über die Steine der mit Flechten überzogenen Mauer.
»Seht Euch das an«, stieß er hervor, als Logen sich vorbeizudrängen suchte. »Diese Gravuren hier. Meisterwerke uralter Zeiten! Geschichten, Lehren und Warnungen aus der Geschichte.« Seine dicken Finger fuhren sanft über den vernarbten Stein. »Wir sind vielleicht die Ersten seit Jahrhunderten, die sich das hier ansehen!«
»Hm«, machte Logen und blies die Backen auf.
»Seht nur hier!« Bayaz deutete auf die Mauer. »Euz gibt seinen drei ältesten Söhnen ihre Gaben, während Glustrod aus den Schatten zusieht. Die Geburt der drei reinen Gebiete der Magie. Das ist doch ausgezeichnete Handwerksarbeit, nicht wahr?«
»Aber wirklich.«
»Und hier«, schnaufte Bayaz, der einige Krautbüschel zur Seite bog und zur nächsten moosbewachsenen Platte weiterging, »plant Glustrod die Zerstörung der Werke seines Bruders.« Er musste eine abgestorbene Efeuranke herunterreißen, um die Zeichnungen sehen zu können. »Er bricht das Erste Gebot. Er hört Stimmen aus der Unterwelt, seht Ihr? Er ruft die Teufel herbei und sendet sie aus gegen seine Feinde. Und auf diesem hier«, murmelte er und zerrte an dichten Schlingpflanzen, »lasst mich einmal sehen …«
»Glustrod gräbt«, murmelte Quai. »Wer weiß? Auf dem nächsten Stein hat er vielleicht schon gefunden, wonach er sucht.«
»Hm«, knurrte der Erste der Magi und ließ das Gestrüpp wieder über die Mauer rutschen. Er warf seinem Zauberlehrling einen harten Blick zu und stand mit düsterer Miene auf. »Vielleicht bleibt die Vergangenheit manchmal besser verborgen.«
Logen räusperte sich und ging schnell weiter, wobei er sich unter einem schiefen Torbogen hindurchduckte. Der große Platz dahinter war mit kleinen, verwachsenen Bäumchen bestanden, die in Reihen gepflanzt, aber längst überwachsen waren. Hohes Unkraut und Brennnesseln, die von all dem Regen braun und schlapp geworden waren, wucherten beinahe hüfthoch zwischen den moosigen Mauern.
»Vielleicht sollte ich mich nicht selbst loben«, tönte Langfuß’ gut gelaunte Stimme, »aber es muss einmal gesagt werden: Mein Talent zum Auffinden der richtigen Wege ist einzigartig! Es übertrifft das eines jeden anderen Wegkundigen, so wie der Berg das Tal eines Flusses überragt.« Logen verzog das Gesicht, aber entweder musste er Bayaz’ Zorn ertragen oder Langfuß’ angeberisches Geschwätz, und da fiel ihm die Wahl nicht schwer.
»Ich habe uns über die weite Ebene zum großen Aos geführt, ohne auch nur eine Meile vom Weg abzuweichen!« Der Wegkundige strahlte Logen und Luthar an, als erwarte er nun eine ganze Lawine des Lobes. »Noch dazu ohne eine einzige bedrohliche Begegnung, und das in einem Land, das als das gefährlichste unter der Sonne gilt!« Er runzelte die Stirn. »Jetzt liegt vielleicht ein Viertel unserer Reise sicher hinter uns. Ich habe das Gefühl, dass Ihr gar nicht zu schätzen wisst, wie schwierig das war! Über eine endlose Ebene ohne Orientierungspunkte, während Herbst zu Winter wird und man nicht einmal die Sterne zur Berechnung heranziehen kann!« Er schüttelte den Kopf. »Tja. Ist man durch seine Leistung bis an die Spitze gelangt, ist es wirklich einsam dort.«
Er wandte sich ab und ging zu einem der Bäume herüber. »Die Unterkunft hat schon mal bessere Tage gesehen, aber zumindest tun die Obstbäume noch ihre Arbeit.« Langfuß pflückte sich einen grünen Apfel von einem herabhängenden Zweig und rieb ihn an seinem Ärmel blank. »Es geht doch nichts über einen schönen Apfel, und dann sogar noch aus dem Obstgarten des Kaisers.« Er lächelte in sich hinein. »Komisch, nicht wahr? Dass die Pflanzen
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