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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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ins
Tal.
    Allahs
Schöpfung ist heilig, dachte er, er hat die festen Berge in die Erde
eingesetzt, die sich zu ihm erheben und er hat sie gesegnet.
    Auf
seinen Augen liegt ein feuchter Glanz und in seinem Kopf sprechen Worte aus dem
Koran: »Der Gläubige, der den Koran rezitiert, ist wie eine Zitrusfrucht, deren
Duft süß ist und die süß schmeckt.«
    Das
Lächeln wich langsam aus seinem Gesicht, und er erinnerte sich an seine Zeit in
Deutschland. Damals, kurz bevor er in den Heiligen Krieg nach Afghanistan
gezogen war, hatte er wie besessen damit begonnen, alle 6.219 Verse auswendig
zu lernen. Ein Unternehmen, das bei seiner Ungeduld nur scheitern konnte. Aber
immerhin, umsonst war der Versuch nicht gewesen. Noch heute konnte er einige
der hundertvierzehn Suren problemlos vortragen.
    ›Wer
aus dem Koran reden kann und damit schlafen geht, ist in ein Gewand voller
Moschus gehüllt.‹
    Wie
schnell die letzten Jahre verflogen sind, dachte er und rief sich ihre
überstürzte Abreise ins Gedächtnis, als er mit Dutzenden Al-Qaida -Kämpfern,
ihrem Führer Osama und seinen Familienmitgliedern und Leibwächtern den Sudan im
Mai ’96 verlassen musste. Noch im September desselben Jahres hatten die Taliban
Kabul und Jalalabad erobert und ihnen dort allen einen Unterschlupf angeboten.
    Er
erinnerte sich deutlich an den finsteren Mann, dessen rechtes Augenlid
merkwürdig über der Augenhöhle klebte, und der eines Morgens mit einer Hand
voll Getreuer vor Osamas Haus erschienen war. Ein Gefühl von Ehrfurcht erfasste
ihn, als er den Taliban-Führer Mullah Omar erkannt hatte, der sein Auge im
Krieg gegen die Sowjets verloren hatte.
    »Allah
sei mit dir!«, wagte er ihn anzusprechen. »Möge die Brust deines Feindes das
Ziel deines Gewehrlaufs sein!«
    Danach
meldete er den Ehrengast bei Osama an, und als Mullah Omar das Haus wieder
verlassen hatte, standen alle arabischen Kämpfer unter dem Schutz der Taliban.
    »Die
Mauern von Unterdrückung und Demütigung können nur durch einen Kugelhagel
zerstört werden«, hörte er Osama nach dem Gespräch an der Tür zu Mullah Omar
sagen. Kurze Zeit später wurde das erste Manifest von Al-Qaida veröffentlicht und zum Dschihad gegen die Amerikaner aufgerufen.
    »Seit
mehr als sieben Jahren besetzen die USA Grund und Boden des Islam an den
heiligen Orten der arabischen Halbinsel, plündern seinen Reichtum, befehligen
seine Herrscher, demütigen seine Bewohner, terrorisieren seine Nachbarn und
machen ihre Militärbasen zu einer Speerspitze, die die muslimischen Völker
bekämpft.«
    Während
unsere Bomben am 7. August ’98 die US-Botschaften in Kenia und Tansania
wegfegten, und der Westen den Beginn unseres gerechten Kampfes hautnah zu
spüren bekam, hielten wir uns bereits in der Taliban-Hochburg Kandahar auf.
    Mur a ds Erinnerungen rasten durch die Ereignisse der
letzten Jahre.
    Wir
ahnten schon lange, dass die Amerikaner zurückschlagen würden, dachte er. Die
Vergeltung ließ keine dreizehn Tage auf sich warten. Dutzende Cruise Missiles
schlugen in unseren Ausbildungslagern im Nordosten ein.
     
    »Wenn der Angriff auf Afghanistan Clintons persönliche Entscheidung ist,
dann tut er dies nur, um die Welt von der Hurerei im Weißen Haus abzulenken. Er ist ein Lügner und ein Mann ohne jede Ehre und Anstand! Außerdem
ist Osama bin Laden ein Gast des afghanischen Volkes! Er wird niemals an die
USA ausgeliefert werden. Amerika selbst ist der größte Terrorist der Welt!«,
war die Antwort Mullah Omars danach auf einer Pressekonferenz in Kabul gewesen.
     
    Zu der Zeit wurden bereits große Teile unserer panislamischen Ideologien
von den Taliban übernommen. Osama hatte ihnen reichlich Zugeständnisse gemacht.
Mit mehreren hundert Kämpfern unterstützten wir die Offensive der Taliban, den
gesamten Norden von den Schiiten zu säubern. Sie gaben jedem Schiiten, dessen
sie habhaft wurden, drei Möglichkeiten: entweder zu den Sunniten zu konvertieren,
in den schiitischen Iran zu flüchten oder zu sterben.
    Vor
dem inneren Auge des Kommandanten zogen die Bilder der Schlacht um Mazar
vorbei. Er sah sich im Pick-up durch die engen Straßen fahren. Die Kämpfer
standen auf der Ladefläche und feuerten auf alles, was sich vor den Gewehren
bewegte. Ladenbesitzer stürzten in ihre Stände, in die Burka gehüllte Frauen
kippten mit ihren Einkaufstaschen auf die Straße, Kinder sackten im Hauseingang
zu Boden, Esel und Ziegen brachen auf offener Straße zusammen, Blut floss durch
den Rinnstein,

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