Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
herunterschlucken sollte. Der hat dir Fremdenfeindlichkeit
unterstellt, beharrt eine Stimme tief innen. Vorurteile gegen Muslime? Sein Verstand
greift nach Argumenten. Nein! Mein ICH bestimmt die Sicht der Welt! Ich hab
nichts gegen Türken! Zumindest nicht bewusst! Doch die innere Stimme bohrt
unbarmherzig weiter. Hältst du eine Frau mit Kopftuch für gleich intelligent
wie eine ohne?
»Wir
stehen den Menschen aggressiv gegenüber, wenn wir ihre schlechten Eigenschaften
übertreiben oder ihnen unsere eigenen Mängel und Schwierigkeiten zuschreiben«,
hört er die mahnende Stimme seines Meisters.
»Ich
glaube, ich sollte mal Kant lesen.« Mielkes Stimme holt Swensen aus seinen
Gedanken.
»Wie
kommst du denn jetzt da drauf?«
»Der
Mensch hat einen natürlichen Hang zum Bösen«, zitiert Mielke während er in den
Wagen steigt. »Hat mir aus der Seele gesprochen, der Satz! Dein Buddhismus
glaubt bestimmt nur an das Gute im Menschen, oder?«
»So
einfach kann ich das nicht beantworten.«
»Gut
oder Böse? Das musst du aber wissen. Du bist schließlich bei der Polizei!«
»Jemand
ertrinkt. Ein anderer rettet ihn. Der Gerettete bringt drei Tage später einen
Menschen um. Hat sein Retter eine gute oder schlechte Tat begangen?«
Mielke
startet den Wagen und fährt ohne ein Wort an. Swensen merkt, dass er ihn
offensichtlich verärgert hat.
»Im
Buddhismus sind Gut und Böse zwei voneinander abhängige Teile«, sagt er, um die
angespannte Stimmung zu besänftigen. »Wir geben diesen Teilen nur einen Namen
und grenzen sie dadurch voneinander ab. Gut und Böse entsteht nur in unseren
Vorstellungen. In Wirklichkeit gibt es so etwas nicht.«
Mielke
verdreht die Augen. Der Versuch scheint gescheitert.
»Und
was glaubst du, machen wir täglich? Ich finde, dass wir mit deiner Einstellung
den Beruf gleich an den Nagel hängen könnten!«
»Der
Buddha sagt in seiner Lehre: Es ist nicht wichtig, was du glaubst, sondern was
du bist, was du fühlst und was du tust. Ich versuche jedenfalls, mit meiner
Arbeit die Welt ein wenig besser zu machen.«
*
Ohne sich zu verfahren erreichen Mielke und Swensen die Augustenstraße.
Die geht leicht bergab und führt direkt auf die Kreuzung vor der KDW-Einfahrt.
Gegenüber steht das Hauptgebäude, ein grauer Stahlglasbau, der sechsstöckig in
den blauen Himmel ragt. Verdutzt stellt Swensen fest, dass die Zufahrtstraße
auf dem Werftgelände mit runden Betonelementen voll gestellt ist.
Was
geht denn hier ab, fragt er sich verwundert.
Mielke
bugsiert den Wagen im Schritttempo durch die enge Slalomstrecke. In der Mitte
wird er von drei Polizisten des mobilen Einsatzkommandos gestoppt. Die Männer
tragen Helme und Westen. Zwei sichern mit einer MP, während der andere ans
Fahrerfenster tritt. Mielke dreht die Seitenscheibe herunter.
»Wo
möchten Sie hin, meine Herren?«
Die
eher jugendliche Stimme des Beamten steht im krassen Gegensatz zu seinem
martialischen Erscheinungsbild. Swensen zückt den Dienstausweis und hält ihn
hoch.
»Kripo
Husum, wir möchten in einer Ermittlungssache mit der Geschäftsleitung
sprechen!«
»Sind
Sie angemeldet?«
»Nein!«
»Darf
ich den Dienstausweis haben?«, fragt der Jüngling. Swensen reicht ihn hinüber.
»Bitte
warten Sie!«
Der
Jüngling zieht mit dem Ausweis ab und verschwindet in einem Container am
Straßenrand. Durch eine Scheibe sieht Swensen ihn telefonieren. Kurze Zeit
später ist der Mann wieder da, gibt den Ausweis zurück und sagt: »Sie werden im
Eingangsbereich abgeholt! Bitte fahren Sie auf den Besucherparkplatz, hier
gleich rechts!«
Mielke
sieht Swensen mit einem bedeutungsvollen Blick an und sagt: »Na, hier geht ja
richtig der Bär ab. Welcher Schreck ist denn der Geschäftsleitung in die
Glieder gefahren?«
»Ich
kann mir meinen Teil denken.«
»Lass
mich an deinen Gedanken teilhaben, Kollege Swensen.«
»Ich
sage nur: Ein BND-Mann agiert selten allein! Hier läuft ’ne schräge Nummer
hinter dem Rücken unserer Ermittlungen!«
Mielke
parkt ein, und die beiden Kriminalisten marschieren entschlossen zum
Hauptgebäude hinüber. Am Empfang werden sie von einer aschblonden Schönheit mit
einem breiten Lächeln empfangen.
»Sie
sind sicher die Kommissare aus Husum! Einen Moment bitte!«
Noch
während Mielke seinen Kollegen anstupst, tritt ein blasser, hoch gewachsener
Mann mit vollen, schlohweißen Haaren von hinten an sie heran. Neben ihm steht
ein hagerer Mann, den die beiden Kriminalisten sofort wiedererkennen,
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