Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Plastikband hinwegducken. Mehrere
Scheinwerfer haben den Bahnsteig taghell erleuchtet. Auf Gleis drei steht der
Triebwagen der Nord-Ostsee-Bahn. Die Wagentüren sind geöffnet. Auf dem
Bahnsteig hat eine Hand voll Schutzpolizisten damit begonnen, das Gelände zu sichern.
Wegen Bauarbeiten liegen überall Planen herum, die letzten Reste der
Überdachung werden von Gestänge abgestützt.
Bis
Mitte des Jahres wurden die Gleisanlagen noch von zwei maroden
Stahlgerüsthallen geschützt. Doch die heftigen Stürme hatten sie langsam aber
sicher abbruchreif geblasen. Die meisten Glasscheiben waren bereits lange
geborsten. Jetzt hatte man angefangen, die Halle einzureißen.
Swensen
wirft einen kurzen Blick auf die Bahnhofsuhr. 1.07 Uhr. Der 3. Oktober ist
bereits über eine Stunde alt. Er steuert direkt auf Mielke zu, den er hinter
einem alten Schaffnerhäuschen entdeckt hat. Vor ihm steht lebhaft
gestikulierend eine große Frau mit breitem Oberkörper und glatten, aschblonden
Haaren. Sie hat auffällig lange Beine und trägt ein hellblaues Hemd, eine
dunkelblaue Faltenbundhose mit passender Jacke. In der rechten Hand hält sie
ein Handy. Swensen schätzt sie auf Anfang dreißig.
»Was
denken Sie denn? Der Zug kann hier unmöglich die ganze Nacht stehen bleiben!«,
hört er sie lamentieren.
»Solange
wir hier unsere Arbeit machen, bleibt alles so wie es ist!«, kontert Mielke und
reicht Swensen beiläufig die Hand. »Das ist übrigens Hauptkommissar Swensen.
Der hat mit Sicherheit einige Fragen an Sie!«
»Also,
bevor ich hier ellenlang mit i hnen
rumquatsche, muss ich erst mal die Leitstelle informieren«, redet die Frau
unbeirrt weiter und beginnt eine Nummer in ihr Handy zu tippen. »Der Zugverkehr
startet um halb fünf, bis dahin muss jemand die Lok durchgecheckt haben.«
»Das
ist die Lokführerin«, informiert Mielke den Kollegen. »Sie hat den Toten
gefunden.«
»Machen
Sie ruhig Ihre Anrufe«, beschwichtigt Swensen die erregte Frau. »Aber rennen s ie danach nicht gleich weg. Ich
brauche auf alle Fälle noch Ihre Aussage.«
Er
macht einen Abstecher zu Colditz, der mit dem Doktor an einer offenen Waggontür
steht und sich von der Totenschau berichten lässt.
»Genaues
kann ich noch nicht sagen«, hört Swensen noch, als er sich dazustellt. Lades
Stimme klingt kein bisschen beschwipst. »Der Mann ist eindeutig tot. Auf den ersten
Blick sieht nichts nach einer Gewalteinwirkung aus. Ich brauche erst eure
Erlaubnis, den Mann umzudrehen.«
»Wir
machen die Fotos und danach lassen wir die Spurensicherung ran«, sagt Colditz
und sieht, wie im selben Moment die Männer von Hollmanns Team in weißen
Overalls nacheinander unter der Absperrung hindurchkriechen, dicht gefolgt von
dem Fotografen Richard Gerber.
»Schöner
Mist, nech«, zwinkert Swensen dem Doktor zu, »kein besonders angenehmer
Geburtstagsausklang, oder?«
Der
Doktor grinst und presst seinen Lederkoffer fest über den Bauch. Gleichzeitig
bemerkt der Kommissar, dass die Lokführerin ihre Telefonate beendet hat und
ungeduldig auf dem Bahnsteig hin und her stapft.
»Ich
weiß genau, wann das passiert sein muss«, ruft sie ihm von weitem entgegen, als
er wieder zu ihr hinüber geht. »In Tönning war die Bahn leer. In Harblek sind
drei Typen eingestiegen und zwei sind in Witzwort wieder raus. Hier in Husum
ist mir der Mann dann vom Sitz gekippt.«
»Um
wie viel Uhr haben Sie in Harblek gehalten, Frau …?«
»Becker!
Martina Becker! Ich habe genau um 00.10 Uhr in Harblek gehalten.«
»Sind
die drei Männer gemeinsam zugestiegen?«
»Nein,
einer stand bereits auf dem Bahnsteig. Die beiden anderen kamen später, sind
eben noch mitgekommen.«
»Und
wann waren Sie in Witzwort?«
»Das
ist die nächste Station, da halten wir um 00.14 Uhr.«
»Sie
sagten, die zwei Männer sind dort wieder ausgestiegen?«
»Genau,
der Bahnsteig ist hell erleuchtet. Und ich hab sie beim Einsteigen auch von
vorn gesehen.«
»Können
Sie die auch beschreiben?«
»Klar!
Ziemlich jung waren die, so Mitte zwanzig würde ich sagen. Typische Türken.
Mittelgroß, breitere Schultern und kaum Hintern in der Hose, dazu eng
anliegende Hemden, Kragen offen bis zur Brust und nagelneue Jeans. Schwarz
gelockte Haare und kurz geschnittene Vollbärte. Echte Machos eben!«
»Und
woher wissen Sie, dass es Türken waren?«
»Weil
sie wie Türken aussahen!«
»Und
wie sehen Türken aus?«
»Na,
hab ich doch schon beschrieben!«
»Also,
südländisch aussehende Männer?«
»Wenn
Sie das
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