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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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müssen, dass Riemschneider ihn hochnimmt.
    »Könnt
ihr denn wenigstens sagen, ob der Mann ertrunken ist?«
    Swensen
stupst den Pathologen leicht mit der Faust gegen den Oberarm. Der kaut betulich
den Rest seiner Wurststulle, schluckt sie herunter und sagt mit monotoner
Stimme: »Können wir! Ertrunken ist er mit Sicherheit nicht. Er war bereits tot,
als er ins Moor geworfen wurde.«
    »Nun
lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Jürgen! Todesursache?«
    »Keine
Hinweise, dass der Mann erschlagen, erstochen oder erschossen wurde. Die
Obduktion hat eine lebensbedrohliche Anämie ergeben. Die Todesursache dürfte
das Abschlagen der Hand gewesen sein, ein starker prämortaler Blutverlust. Der
Mann ist verblutet oder schon vorher am Schock gestorben.«
    »Wie
steht es mit Fingerabdrücken?«
    »Schlecht,
die Haut an Fingern und Händen hat sich bereits abgelöst. Da gibt’s nichts
Brauchbares mehr festzustellen.«
    »Mist!
Gibt es Hinweise, wie der Mord abgelaufen ist?«
    »Ein
ausgeprägtes Hämatom am Kopf. Vermutlich ein kräftiger Schlag mit einem
stumpfen Gegenstand. Der Mann könnte vor dem Tod auch gefesselt gewesen sein.
Totenflecken an Waden und Füßen, der ist im Stehen gestorben. An den
Handgelenken und Armen haben wir keine Hämatome feststellt. Besagt aber nichts,
kann auch am schlechten Zustand der Leiche liegen. Das Klebeband um den Kopf
geht an das Labor des LKA Kiel.«
    »Vielleicht
bringt das uns weiter. Ansonsten wissen wir jetzt nicht viel mehr, als wir
sowieso schon geahnt haben! Den Baum, an den er gefesselt wurde, hat die Spurensicherung
schon untersucht.«
    »Etwas
gibt es noch! Es ist zwar nur noch schwer zu erkennen, aber es scheint, der
Tote hatte eine Gefäßmissbildung in der Haut unter dem rechten Auge.«
    »Eine
Gefäßmissbildung?«
    »Ja,
ein Feuermal!«
    »Was,
und damit rückst du erst jetzt raus? Das ist doch was! Wir brauchen so schnell
wie möglich Fotos davon.«
    »Geht
in Ordnung. Aber wie gesagt, es ist nur mühsam zu entdecken.«
    »Könntet
ihr dann bitte die Form des Feuermals auf den Fotos kennzeichnen, bevor wir sie
kriegen?«
    Ohne auf
die Antwort zu warten, klopft der Kommissar Riemschneider auf die Schulter und
verschwindet mit einem »bis später« im Treppenhaus. Im Eingangsbereich hält er
vorsichtig nach der Presse Ausschau, bevor er durch die Glastür in Richtung
geparktes Auto davoneilt.
     
    *
     
    Maria zündet ein Zigarillo an, nimmt einen hastigen Zug und schaut
ungeduldig auf die Uhr. Es ist kurz vor zehn. Seit gut einer halben Stunde
lehnt sie an einem Laternenpfahl, der auf dem Auweg gegenüber der Theodor-Storm-Schule steht. Dazwischen fließt ein kleiner Bach, von dem sie weiß, dass er einen
Kilometer entfernt im Hafenbecken endet. Das Glas der Laterne ist zersplittert,
wurde wahrscheinlich in den Pausen als Zielscheibe benutzt. Von ihrem
Standpunkt zweigt ein Sandweg ab und führt über eine Holzbrücke auf das offene
Schulgelände. Das Gebäude ist ein moderner Stahlbau, hellblau verkleidet, mit
viel Glas und vereinzelten roten Fenster- und Türrahmen. Das durchdringende
Geräusch der Klingel lässt die Journalistin aufhorchen. Sie zieht kräftig am
Zigarillo, wirft es auf den Boden und tritt es aus. Fahrig beobachtet sie die
Gesichter der Jungen und Mädchen, die lärmend ins Freie strömen. Ohne große
Mühe erkennt sie die beiden Türken wieder, die sie vor kurzer Zeit zu der
schleichenden Islamisierung türkischer Jugendlicher befragt hatte. Sie tragen
noch die gleichen Freestyle Jeans von Levi’s und weiße Sweatshirts mit Kapuze.
Die Antwort der beiden, daran kann sie sich noch ziemlich gut erinnern, war
deutscher als deutsch gewesen. Eigentlich kein Wunder für Gymnasiasten. Die
schwarzhaarigen Jungen schlendern mit abgehackten Rapbewegungen direkt auf die
Holzbrücke zu und bemerken die Journalistin an der Laterne. Maria sieht sie
miteinander tuscheln, hebt die Hand zum Gruß und fühlt sich plötzlich wie Lili
Marleen. Sie zögert kurz, geht dann aber zu ihnen hinüber.
    »Heeh,
was macht der Artikel? Nirgendwo was gelesen!«, mäkelt der größere Türke.
    »War
auch nicht möglich!«, geht sie in die Offensive. »Wurde abgelehnt.«
    »Eeeh,
Zensur!? Ich denk freie Presse und so?«
    »Die
Presse ist frei, aber der Chef bestimmt, was gedruckt und was nicht gedruckt
wird«, rechtfertigt sich die Journalistin.
    Ihre
beiden Gesprächspartner tauschen bedeutungsvolle Blicke aus und stoßen sich
gegenseitig mit den Fäusten gegen die Brust.

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