Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
auf und wurde zu dem
Pionier, der alte Guerillataktiken mit der modernen Hightech-Kriegsführung
verband. Dank einiger Semester Chemiestudium damals in Deutschland war es ihm
gleichzeitig gelungen, einer der besten Sprengstoffexperten der Organisation zu
werden. Mitte 1990 war ein unerbittlicher Machtkampf unter den afghanischen
Mudschaheddin-Führern ausgebrochen. Osama konnte das interne Gezänk nicht mehr
ertragen und hatte Kabul ungehalten in Richtung Heimat verlassen. Erst zwei
Jahre später traf Mur a d Paša wieder mit dem Al-Qaida- Chef zusammen.
Im
März 1992, kurz nach Beginn des Ramadan, war er mit einer Hand voll
Gotteskrieger in die Hauptstadt des Sudan geflogen, finanziert von Osama bin
Laden. Der war bereits ’91 aus Saudi-Arabien ausgereist und hatte vom sudanischen
Regierungschef Asyl angeboten bekommen. In kürzester Zeit hatte er in Khartum ein florierendes Import-Export-Konsortium errichtet, eine Bank und eine
Baufirma eröffnet, Bagger und anderes schweres Gerät ins Land geschafft und
eine Autobahn und den Airport von Port Sudan gebaut.
Nach
ihrer Ankunft hatten sie mitgeholfen, im Norden drei militärische
Trainingscamps fertigzustellen. Das Al-Qaida- Netzwerk wollte hier die
nächste Generation Muslime für den Straßenkampf ausbilden lassen, die
Kidnapping, Sabotage, Observation und Spionage beherrschen und eine gründliche
Unterweisung im Bombenbau erhalten sollten.
»Allah
versorgt, wen er will, ohne zu rechnen«, hatte Osama ihm ein halbes Jahr später
bei einem Besuch im Camp gesagt.
»Es
sind die Gottesfürchtigen, die bei Allah herrlichen Lohn finden«, hatte er
erwidert.
*
Kemal Güldünya, der Todesengel, mochte die Hitze. Er rieb beide Hände
aneinander und nahm wahr, dass die Innenflächen trocken waren. Schweiß kannte
er so gut wie nicht, selbst wenn er hier im Kader noch so gedrillt wurde. Aus
dem Augenwinkel beobachtete er die Männer neben sich und versuchte, durch eine
leichte Korrektur seiner Körperhaltung noch etwas dynamischer zu wirken als die
anderen.
Von
wegen über vierzig, dachte er bei sich. Mit den jungen Ghashims (Grünschnäbeln) hier nehme ich es noch allemal auf. Gestern bin ich einer der
Schnellsten gewesen, der unter dem Stacheldraht durchgerobbt ist. Und die
Holzwände, ein Satz und ich bin oben und darüber. Dabei bin ich noch nicht mal
einer der Größten.
Es
gehörte zu seinem Selbstbild, grundsätzlich bei den Besten zu sein, Alter hin,
Alter her. Seine Leistungen mussten dem Kommandanten aufgefallen sein, da war
er sich ganz sicher. Zumindest hatte der ihn in den letzten Wochen vor den
anderen öfter als Vorbild präsentiert.
Er
sah, wie der Mann mit der Raubvogelnase seinen Blick in die Runde schweifen
ließ, mit einem Kopfnicken ihn auswählte und mit dem rechten Arm in die
Richtung deutete, wo der Fluss während der Regenzeit einen Bogen in die rotbraune
Sandsteinebene gegraben hatte. Dort, in ungefähr fünfhundert Metern Entfernung,
stand ein Auto, dessen Umriss in der Hitze wie eine Fata Morgana flimmerte.
»Du
fährst die Honda!«
Kemal
griff sich ein Munitionsmagazin aus der Jackentasche. Mit einem kurzen Ruck
klickte er es in die MP-5 ein. Er spurtete im Laufschritt zu den Bäumen und
griff sich den Lenker des Motorrads, das dort an den Baum gelehnt stand.
Blitzschnell saß er auf dem Sattel. Der Motor der Honda 600V Transalp heulte
auf. Mit einer Handbewegung erhöhte er das Gas, bis das Hinterrad durchdrehte
und der Abrieb der steinharten Erde in einer Staubwolke nach hinten
schleuderte.
»Ihr seid die Gesandten
Allahs!«, unterband die scharfe Stimme von Mur a d Paša seinen Übermut. »Wer den Pfad
des Dschihad geht, der hat die heilige Pflicht das mit Blut und Seele zu tun!«
Obwohl
Kemal zehn Meter entfernt stand, waren die Worte deutlich zu verstehen. Ihm
schoss das Blut in den Kopf und er drosselte sofort den Motor. Langsam fuhr er
die Maschine zur Gruppe hinüber. Der Kommandant wählte einen zweiten Mann aus,
der seine MP entsicherte, umhängte und sich hinter ihm auf den Sattel setzte.
Kemals Augen weiteten sich.
»Tod
allen Juden und Kreuzzüglern!« brüllte er und gab Vollgas.
Die
Maschine flog davon, raste in die Landschaft, zerschnitt die feurige Luft, die
wie eine zähe Masse an ihm vorbei floss. Er beugte sich tief hinter das
Schutzglas der Honda und sah, wie das Auto durch den Dunst auf ihn zutrieb.
Schon war er auf gleicher Höhe. Er fühlte ein Kribbeln im Unterleib. Die Lust.
Hinter ihm hämmerte die
Weitere Kostenlose Bücher