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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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MP seines Beifahrers los. Die Geschosse zogen eine
Linie über das Seitenblech. Er bremste scharf, lenkte gegen und brachte das
Motorrad vor dem Wagen zum Stehen. Mit einem Satz sprang er ab und feuerte noch
im Flug die erste Salve ab. Die Einschusslöcher wanderten über das Kühlerblech
in den Innenraum. Die Frontscheibe war von früheren Übungen bereits geborsten.
Gleichzeitig war sein Beifahrer schon an der Seitentür und schoss durch das
glasfreie Seitenfenster über den Rücksitz. Kemal leerte den Rest seines
Magazins in die Luft, riss seine Arme hoch und stieß einen befreienden Schrei
aus. In ihm war Kraft, Stärke, Macht. Er stieg auf die Maschine, nahm den
Beifahrer auf und brauste mit über siebzig Stundenkilometern über die Ebene
zurück.
    Vor
dem inneren Auge schnitt ein Messer die Kehle eines Hammels durch, der Kopf
klappte nach hinten und der Blutschwall spritzte pumpend in die Luft. Kemals
Blut pulsierte in den Schläfen, rhythmisch wie galoppierende Pferde, die über
ein Meer von Skeletten stoben und Knochen der Ungläubigen zersplitterten.
    Immer
mehr Bilder und Gedankenfetzen schwirrten durch den Kopf. Er sah tanzende
Frauen vor sich, die ihre elfenbeingelben Zähne zeigten. Sah eine hohe,
schlaksige Gestalt im knöchellangen, weißen Thaub (Gewand), braunen
Umhang und rot-weiß gemusterter Ghutra (Kopftuch) durch ihre Reihen
gehen, Osama bin Laden, Dorfbewohner, die seine Hände ergriffen und küssten,
eine fertig gestellte Teerstraße, eine ausgelassene Feier, einen gebratenen
Hammel. Der Al-Qaida -Chef hatte gerade einem englischen Journalisten des Independent ein Interview gewährt. Kemal und fünf andere Kämpfer hielten
ihm mit ihren Kalaschnikows den Rücken frei.
    »Herr
bin Laden, ich würde Ihnen gerne eine direkte Frage stellen. Haben Sie
somalische Rebellen trainieren lassen, die dann Angriffe auf amerikanische
Soldaten in Mogadischu ausübten?«, fragte der dürre, kahlköpfige Engländer.
    »Es
gibt zwei Gründe für einen Dschihad gegen die USA«, antwortete Osama mit einem
feinen Lächeln. »Die amerikanische Unterstützung Israels und die unverschämte
Stationierung amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien während des Krieges gegen
den Irak. Dass amerikanische Soldaten mit ihren dreckigen Füßen unser heiliges
Land beschmutzen, wird unter keinen Umständen hingenommen werden.«
    »Entschuldigen
Sie, aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Haben Sie mit den Angriffen
in Somalia zu tun?«
    »Dort,
wo amerikanische Aggressoren den Islam angreifen, da wird Al-Qaida auf
sie warten.«
     
    Ein fernes Motorengeräusch holte den Todesengel aus seinen Gedanken. In
der Ferne tauchte eine Staubwolke auf. Mit hoher Geschwindigkeit preschte ein
Jeep über die Hügelkette in die Senke, gefolgt von einem Mercedes-Kleinlaster.
Der Kommandant ließ das Motorrad von vier Männern aufladen und gab den Befehl
zum Aufsitzen. Mit der Gebetskette zwischen den Fingern trat er neben Kemal und
wies ihn an, sich neben ihn auf den Rücksitz des Jeeps zu setzen.
    »Du
kommst aus der Türkei?«, fragte Mur a d und
schob mit dem Daumen einen gelben Glasstein nach dem anderen über den
Zeigefinger. Der Fahrer startete den Jeep und steuerte ihn mit rasantem Tempo
über die Wellblechpiste.
    »Ich
komme aus Yozgat, eine kleine Stadt, liegt hundertfünfzig Kilometer von Ankara
entfernt.«
    »Hauptmann
bei der türkischen Armee!«
    Der
Kommandant legte den Kopf leicht zur Seite, was ihn wie einen Falken auf
Beuteflug aussehen ließ. Kemal nickte kurz.
    »Du
bist schon älter?«
    »Ich
bin noch keine vierzig! Außerdem bin ich …«
    »Schon
gut! Warum bist du hier?«
    »Weil
ich die türkische Armee hasse!«, sagte Kemal und machte eine kurze Pause. »Weil
ich die korrupte Regierung hasse!«
    »Was
ist passiert, Freund?«
    »Man
hat mich unehrenhaft entlassen! Man sagte mir, wer Kontakt zur Hisbollah unterhält, quittiert automatisch seinen Dienst im türkischen Militär. Ich war
für mein Land auf Zypern. Ich kämpfte gegen die kommunistische PKK. Über
zwanzig Jahre habe ich dem Land gedient! Das Regierungspack will sich nur noch
bei den Europäern einschleimen!«
    Kemal
starrte mit weit geöffneten Augen ins Leere. Der Kommandant blieb gelassen. Sie
fuhren an wuchernden Dornbüschen vorbei. Die Landschaft begann sich zu
verändern. Vereinzelt tauchten Mimosen, Sadebäume und Thujas auf. Der Nil war
nicht mehr weit. Zwei große Affenbrotbäume kündigten das Camp an. Der Jeep
stoppte vor den Unterkünften,

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