Feuermale
dir ausprobieren würde.«
»Das ist nicht mehr mein Job. Ich bin nicht mehr bei der BSU.«
»Du warst Expertin auf diesem Gebiet…«
Und er hatte Zugang zu jedem Experten auf dem Gebiet.
Er brauchte sie nicht.
Sie hängte ihren Mantel über eine Stuhllehne und setzte sich an den Eichentisch, den sie im ersten Sommer nach ihrer Kündigung beim Bureau restauriert hatte. Sie war völlig gestreßt gewesen, immer noch unter Schock von Emilys Tod und den Totalschäden ihrer Ehe und ihrer Beziehung zu Quinn. Das Leben, wie sie es kannte, war zu Ende, und sie mußte neu anfangen. Alleine, bis auf die Gespenster.
Sie hatte nie jemandem, der ihr nahestand, von Quinn erzählt, weder ihren Eltern noch ihrer Schwester. Sie wußten nicht, daß ihre Kündigung beim Bureau von Skandal überschattet gewesen war. Sie hätte die Bindung, die sie zu Quinn empfunden hatte, während Steven auf einer Flut von Trauer und Kummer von ihr wegtrieb, nicht ausreichend erklären können. Selbst durchtrennt war diese Bindung zu kostbar gewesen, um sie mit Leuten zu teilen, die sie nicht verstehen würden. Und ihre Eltern hätten es genauso wenig verstanden wie ihre Kollegen damals in Quantico.
Sie hatte eine Affäre gehabt, hatte ihren Ehemann betrogen. Sie war ein Bösewicht. Das war es, was die Leute glauben wollten das Schlimmste und Dreckigste. Keiner wollte wissen, wie allein sie sich gefühlt hatte, wie dringend sie Trost und Unterstützung gebraucht hatte. Sie wollten nichts darüber hören, daß sie irgend etwas, das weit über körperliche Anziehung hinausging, zu John Quinn getrieben hatte – und ihn zu ihr. Die Leute zogen es vor, das Schlimmste zu glauben, weil da weniger Gefahr bestand, daß es ihr eigenes Leben berühren könnte.
Und so hatte Kate das Geheimnis für sich bewahrt – und die Schuldgefühle, die Reue und den Herzschmerz, Teile des Pakets. Und sie hatte sich Bauklotz für Bauklotz ein neues Leben aufgebaut, darauf geachtet, daß es einen guten Grundstein und Gleichgewicht hatte. An den meisten Tagen dauerte ihr Job von acht bis fünf. Klienten kamen und gingen. Sie konnte ihnen in gewisser Hinsicht helfen, und dann bewegten sich ihre Leben weiter und aus ihrem heraus. Ihre Beteiligung war begrenzt und erträglich.
Und noch während sie das dachte, sah sie Angie vor ihrem inneren Auge und nahm einen langen Schluck von ihrem Sapphire Gin. Sie erinnerte sich an die Tränen des Mädchens, wie der harte Teenager, das Straßenkind, sich zusammengerollt und geheult hatte, wie das Kind, das sie noch war, aber nie eingestehen wollte. Verängstigt und beschämt – und das würde sie auch nie zugeben.
Kate hatte sich vor Angie hingekniet, den Kontakt mit einer Hand aufrecht gehalten – die Hand oder das Knie des Mädchens berührt oder ihren Kopf gestreichelt, während sie sich krümmte und versuchte, ihr Gesicht zu verstecken.
Und die ganze Zeit spielte in Kates Kopf dieselbe Gefühlsschleife, dieselbe Kette von Gedanken – daß sie niemandes Mutter war, daß diese Verbindung, die sie mit dem Mädchen einging, tiefer ging, als Kate wollte, und doch weniger tief reichte, als Angie brauchte.
Doch es lief in Wahrheit auf eins hinaus: Kate war alles, was Angie hatte. Der Ball war in Kates Spielfeld, und es gab niemand sonst, an den sie ihn hätte abgeben können.
Es gab keinen anderen Betreuer in diesem Büro, der Ted Sabin Paroli bieten würde. Es gab nicht so viele, auf die Angie sich einlassen würde.
Die Geschichte, die das Mädchen erzählte, war kurz und traurig. Jemand hatte sie auf der Lake Street aufgegabelt und draußen im Park abgeladen, ein wegwerfbares Sexspielzeug für einen Mann, der nicht mal nach ihrem Namen gefragt hatte. Er zahlte ihr zwanzig, trotz des üblichen Kurses von fünfunddreißig, sagte ihr, sie solle doch einen Bullen rufen, als sie sich beschwerte, schubste sie aus seinem Fahrzeug und fuhr weg. Er hatte sie mitten in der Nacht stehen lassen wie ein ungewolltes Kätzchen.
Das Bild, wie sie da allein gestanden hatte, zerzaust, nach Sex riechend, mit einem zerknitterten Zwanziger in der Tasche, setzte sich in Kates Kopf fest. Verlassen.
Allein. Das Leben erstreckte sich vor ihr wie vierzig Meilen schlechter Straße. Sie war höchstens fünfzehn oder sechzehn. Nicht viel älter als Emily gewesen wäre, wenn sie überlebt hätte.
Tränen sammelten sich zu einem hinterlistigen Überfall.
Kate nahm noch einen Schluck Gin und versuchte damit, den Kloß hinunterzuschlucken. Sie hatte
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