Feuermale
anderen Seite der Oberfläche sehen, wie es auf ihn heruntersah. Dann verrutschten die Leichen erneut, und sie war fort.
Gerade als er das Gefühl hatte, seine Lunge würde anfangen zu bluten, machte er einen letzten Stoß und durchbrach die Oberfläche des Wassers und des Traumes, nach Luft ringend sprang er vom Bett. Schweiß tränkte seinen Körper, lief von seiner Nase und das Tal seines Rückgrats hinunter.
Er taumelte weg vom Bett, mit wackligen Beinen, und fiel in den Stuhl neben dem Schreibtisch, inzwischen zitternd, weil die Luft ihn kühlte. Nackt, schwitzend, krank, den Geschmack von Galle und Blut bitter im Mund.
Er saß zusammengekrümmt über dem Abfalleimer, nicht ganz auf das schlängelnde Feuer in seinem Bauch konzentriert. Wie immer war da der Klang dieser inneren Stimme, die ihn immer mangelhaft fand und nie zögerte, ihm einen Tritt zu verpassen, wenn er ohnehin schon am Boden war. Sie sagte ihm, er hätte keine Zeit für diesen Scheiß. Er hatte Fälle zu bearbeiten, es gäbe Leute, die sich auf ihn verließen, wenn er seine Konzentration verlor und Mist baute, könnten Menschen sterben. Wenn er wirklich totalen Mist baute, wenn irgend jemand herausfand, was für ein Chaos in seinem Kopf herrschte, daß er seinen Nerv und seine Schärfe verloren hatte, dann wäre er arbeitslos. Und wenn er den Job nicht mehr hätte, hätte er gar nichts. Der Job war nicht nur einfach das, was er tat, er war alles, was er war, alles, was er hatte.
Der Traum war nichts Neues, nichts, weswegen man zittern mußte, nichts worauf er seine Energie verschwenden sollte. Es gab zahllose Variationen zu diesem. Sie waren alle idiotisch einfach zu interpretieren, und es war ihm immer etwas peinlich, daß er sie hatte. Er hatte keine Zeit für sowas.
Er konnte sich genau vorstellen, was Kate dazu zu sagen hätte. Sie würde ihn die scharfe Seite ihrer Zunge spüren lassen und ihm einen weiteren Vortrag über Superman halten und dann versuchen, ihm Kräutertee zu kochen. Sie würde ihre Besorgnis und ihre mütterlichen Instinkte mit dem smarten Sarkasmus kaschieren, der so viel sicherer und vertrauter schien und besser zu dem Image paßte, das andere von ihr hatten. Sie würde so tun, als wüßte auch er es nicht besser.
Und dann würde sie ihm ein Taxi rufen und ihn aus dem Haus schubsen.
»Laß uns einfach alte Freunde sein und es dabei belassen, hmm? Du bist nicht wegen meiner hier, John. Das hättest du vor Jahren getan, wenn es das gewesen wäre, was du wolltest.«
Das hatte sie gedacht, daß er nicht gekommen war, weil er sie nicht wollte. Vielleicht wollte sie das glauben. Sie war diejenige, die gegangen war. Es rechtfertigte diesen Schnitt, wenn sie geglaubt hatte, es gäbe keinen Grund zu bleiben.
Mit immer noch wackligen Knien ging er zum Fenster, das auf ein Stück City von Minneapolis schaute und auf eine Straße voller Schnee.
Was er wollte. Er war sich nicht einmal mehr sicher, was das war. Er gestattete sich nicht, etwas außerhalb des Spektrums seiner Arbeit zu wollen. Eine Spur, ein Beweisstück, einen neuen Einblick, der helfen könnte, den Kopf des Mörders aufzustemmen. Diese Dinge konnte er wollen. Aber was hatte es für einen Sinn, etwas zu wollen, was nicht zu haben war?
Das Entscheidende war, sollte er sich gestatten zu hoffen, ja oder nein?
»Das einzige, was dich vor Enttäuschung bewahren kann, ist Hoffnungslosigkeit. Aber wenn du keine Hoffnung hast, hat es keinen Sinn zu leben.«
Seine eigenen Worte. Seine eigene Stimme. Seine eigene Weisheit. Drehte sich einfach um und biß ihm in den Hintern.
Er mußte nicht nach dem Sinn eines Lebens fragen. Er lebte, um zu arbeiten und arbeitete, um zu leben. So einfach und armselig war das. Das war die Quinn-Maschine mit Dauerfunktion. Aber inzwischen spürte er, daß sich die Räder lockerten. Was würde passieren, wenn eines sich ganz löste?
Er schloß die Augen, sah wieder die Leichen und fühlte, wie die Panik durch ihn schwappte, ein kalter interner saurer Regen. Er konnte den Chef seiner Einheit hören, wie er Antworten forderte, Erklärungen, ihn um Ergebnisse bedrängte. »Der Direktor hat mir eine halbe Stunde lang den Kopf abgerissen, John. Jemanden wie Bondurant sollte man nicht verärgern, John. Was zum Teufel ist denn los mit dir?«
Tränen brannten in seinen Augen, als die Antwort aus dem Hohlraum in der Mitte seiner Brust kam: Ich hab’s verloren. Seine Schärfe, seinen Nerv, seine Instinkte. Er fühlte, wie alles entzwei
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