Feuermale
dachten, sie müßte beschützt werden.
Ihre Stärke und Zähigkeit waren das, was den anderen auffiel. Aber gleich hinter dieser Mauer war eine Frau, die sich ihrer Sache nicht immer so sicher war, wie es schien.
»Wie geht es dir, Kate?«
»Hmm? Was?«
Sie wandte sich von der Mikrowelle zu ihm, mit verwirrt gerunzelter Stirn. »Ich bin müde. Ich bin wütend. Ich hab eine Zeugin verloren –«
Quinn trat näher, legte einen Finger auf ihre Lippen.
»Ich meine nicht mit dem Fall. Es sind fünf Jahre vergangen. Wie geht’s dir wirklich?«
Kates Herz hämmerte gegen ihr Brustbein. Antworten verkeilten sich in ihrer Kehle. Fünf Jahre. An die erste Antwort erinnerte ein so scharfer Schmerz, daß es ihr den Atem raubte. Die zweite war, wie nach einem Schlaganfall wieder gehen und reden lernen. Dann kamen die dritte und die vierte und danach noch eine. In dieser Zeit hatte sie eine Karriere aufgebaut, sich ein Heim geschaffen, war ein bißchen gereist, ihr Leben hatte sich auf einer netten sicheren Schiene etabliert.
Wie geht’s dir? Leer. Allein. Abgekapselt.
»Dieses Spiel sollten wir nicht spielen«, sagte sie leise.
»Wenn es dich wirklich interessiert hätte, dann hätte es keine fünf Jahre gedauert zu fragen.«
Sie hörte das Bedauern in diesen Worten und wünschte, sie könnte sie zurücknehmen. Aber was machte das jetzt schon für einen Sinn, wenn ihnen doch sowieso nur ein paar Tage blieben. Besser so tun, als hätte es das Feuer nie gegeben, statt in der Asche rumzustochern und den Staub der Erinnerungen aufzuwühlen. Der Timer am Mikro ging los, und sie drehte ihm den Rücken zu und machte sich mit der Tasse Tee zu schaffen.
»Du hast mir gesagt, es wäre das, was du wolltest«, sagte er. »Du wolltest raus. Du wolltest gehen, neu anfangen.
Was hätte ich denn tun sollen, Kate?«
Mich bitten, nicht zu gehen. Mit mir gehen. Die Antworten waren direkt da, so frisch wie gestern und genauso vergeblich. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie Virginia verließ, hatten sie Zorn und Schmerz weit über den Punkt hinausgebracht, an dem er sie hätte bitten können, nicht zu gehen. Und sie wußte, ohne fragen zu müssen, daß er Investigative Support nie verlassen hätte, um mit ihr zu kommen. Der Job war John Quinn. Er war daran auf eine Art und Weise gebunden, wie er nie an eine Frau gebunden sein würde. Und, Gott, wie dieser Gedanke immer noch schmerzte.
»Was du hättest tun sollen? Nichts.«
Flüsterte sie. »Du hast es gut gemacht.«
Quinn stellte sich dicht hinter sie, wollte sie gerne berühren, als könne das wie durch Zauberhand die Zeit und ihre Probleme ausradieren. Er wollte ihr sagen, daß das Telefon in beide Richtungen funktionierte, aber er wußte, daß ihr Stolz oder die Unsicherheit, die sie damit kaschierte, das nie erlaubt hätte. Ein Teil von ihm war erleichtert gewesen, daß sie nie angerufen hatte, denn dann hätte er sich selbst im großen Spiegel des Lebens gegenübertreten müssen und endlich die Frage beantworten, ob noch genug von ihm übrig war, um eine dauerhafte Beziehung aufzubauen. Seine Angst vor der Antwort hatte ihn lange, lange Zeit vor dieser Frage davonlaufen lassen.
Und jetzt stand er da, einen Zentimeter vom besseren Teil seiner Vergangenheit entfernt, und wußte, er sollte sie ruhen lassen. Wenn er vor fünf Jahren nicht genug für eine Beziehung zu geben hatte, dann hätte er es jetzt schon gar nicht.
Er hob eine Hand, um ihr Haar zu berühren, die Erinnerung an seine Beschaffenheit begegnete der Seide der Realität. Er ließ eine Hand auf ihrer Schulter ruhen und sein Daumen fand dort den vertrauten Spannungsknoten.
»Bedauerst du es, Kate? Nicht die Art und Weise wie es endete, sondern uns.«
Kate kniff die Augen zu. Sie schleppte eine Lastwagenladung voll Bedauern mit sich, die sie jeden Tag aus dem Weg räumen mußte, um mit ihrem Leben fortfahren zu können. Aber sie war nie imstande gewesen zu bedauern, daß sie sich ihm zugewandt hatte. Sie bedauerte, daß sie sich mehr gewünscht hatte. Sie bedauerte, daß er nicht mehr zu geben gehabt hatte. Aber sie konnte an keine einzige Berührung, keinen einzigen Kuß, keine einzige Nacht in seinen Armen denken und eine Sekunde davon bereuen. Er hatte ihr Liebe und Verständnis gegeben, Zärtlichkeit und Trost, Leidenschaft und Mitgefühl, als sie sie so dringend gebraucht hatte, als sie unter solchem Schmerz litt, sich so alleine gefühlt hatte. Wie könnte sie das bedauern? »Nein«, sagte sie, drehte sich um
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