Feuermale
anderes Dreckschwein. Aber, ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht viel mehr über diese Morde als Sie. Bis heute früh hatten sie nur diese beiden toten Nutten. Ich hab über sie in der Zeitung gelesen, wie alle anderen. Ich weiß aber so sicher wie das Amen im Gebet, daß der Typ nie irgend jemandem den Kopf abgeschnitten hat. Das ist ein ganz neuer Dreh in dieser Gegend.«
Quinn sah aus dem Fenster in die graue Welt und den Regen, die wintertoten Bäume, die so schwarz und öde aussahen, als hätte man sie verkohlt, und hielt einen Augenblick des Mitleids für die namenlosen, gesichtslosen Opfer fest, die nicht wichtig genug waren, um mehr als eine Pauschalbezeichnung zu verdienen. In ihren Leben hatten sie Freud und Leid gekannt. Auf dem Weg zu ihrem Tod hatten sie wahrscheinlich Schrecken und Schmerz kennengelernt. Sie hatten Familie und Freunde, die sie betrauerten und denen sie fehlen würden. Aber die Presse und die Gesellschaft reduzierte ihr Leben und ihren Tod auf den niedrigsten, minderwertigsten gemeinsamen Nenner: zwei tote Nutten. Quinn hatte hundert gesehen…, und er erinnerte sich an jede einzelne.
Seufzend rieb er sich den dumpfen Kopfschmerz, der sich wohl auf Dauer in seinen Schläfen eingenistet hatte.
Er war zu müde für die Art Diplomatie, die man am Anfang eines Falles brauchte. Das war die Art von Müdigkeit, die bis ins Knochenmark eindrang und ihn wie Blei hinunterzog. In den letzten paar Jahren hatte es zu viele Leichen gegeben. Die Namen rollten nachts durch seinen Kopf, wenn er zu schlafen versuchte. Leichen zählen nannte er das. Nicht gerade der Stoff für süße Träume.
»Möchten Sie zuerst ins Hotel oder ins Büro?« fragte Walsh.
Als ob seine Wünsche dabei berücksichtigt würden. Was er vom Leben wollte, war für ihn schon lange außer Sichtweite verschwunden.
»Ich muß zum Tatort«, sagte er. Die ungeöffnete Akte lastete schwer wie eine Stahlplatte auf seinem Schoß. »Ich muß sehen, wo er sie gelassen hat.«
Der Park sah aus wie ein Campingplatz am Tag nach einem Pfadfindertreffen. Der verkohlte Boden, wo das Lagerfeuer gewesen war, das gelbe Polizeiband wie Girlanden als Absperrung gespannt, das tote, zertrampelte Gras, Blätter, wie nasse Scherenschnitte in den Boden gedrückt. Zerknitterte Kaffeebecher, die der Wind aus dem Mülleimer geweht hatte, der direkt neben dem asphaltierten Weg am Hügel saß, und die jetzt über den Boden schwirrten.
Walsh parkte den Wagen, und sie stiegen aus und stellten sich auf den Weg. Quinn ließ den Blick über das
gesamte Gelände von Norden nach Süden schweifen. Der Schauplatz des Verbrechens lag ein kleines Stück unter ihnen, in einer flachen runden Senke, die hervorragende Deckung lieferte. Der Park war voll von Bäumen, sowohl Laub-als auch Nadelbäume. Mitten in der Nacht war das hier eine ganz eigene Welt. Die nächsten Wohnhäuser – ordentliche Einfamilienhäuser des Mittelstandes – standen ausreichend vom Tatort entfernt. Die Wolkenkratzer der City von Minneapolis mehrere Meilen nördlich. Selbst der kleine Wartungsplatz, auf dem sie parkten, wurde von Bäumen verdeckt und von dem, was wahrscheinlich eine schöne Reihe Fliederbüsche im Frühling war – Tarnung für den einen kleinen abgesperrten Geräteschuppen und die Fahrzeuge. Der Täter hatte wahrscheinlich hier geparkt und die Leiche für seine kleine Zeremonie den Abhang hinuntergetragen. Quinn sah hoch zu dem Halogenalarmlicht, das auf einem dunklen Pfahl in der Nähe des Geräteschuppens montiert war. Das Glas war zerschmettert, aber es gab keine sichtbaren Scherben auf dem Boden.
»Wissen wir, wie lange das Licht schon kaputt ist?«
Walsh hob den Kopf, blinzelte und verzog das Gesicht, als der Regen gegen sein Gesicht prasselte. »Da müssen Sie die Cops fragen.«
Ein paar Tage schon, wettete Quinn. Nicht lange genug, daß die Parkwächter schon dazu gekommen wären, es zu richten, wenn der Schaden das Werk ihres Mannes war, als Vorbereitung für seinen mitternächtlichen Besuch…
Wenn er vorher hierhergekommen war, das Licht zertrümmert, das Glas aufgekehrt hatte, damit der
Vandalismus nicht so schnell entdeckt und damit die Chancen verbessert würden, daß die Sicherheitsbeleuchtung nicht so schnell ersetzt wurde… wenn das alles zutraf, hatten sie es hier mit einem hohen Grad an Planung und Vorsatz zu tun. Und Erfahrung. Der modus operandi war erlerntes Verhalten. Ein Krimineller lernte durch Versuch und Irrtum, was er bei der Ausführung
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