Feuermale
Müllverbrennungsanlage bei Macy’s gezogen hatte. Aber er wußte, daß das, was er da sah, einmal Fleisch und Knochen gewesen waren, nicht Plastik, und die Frau noch vor drei Tagen lebendig herumgelaufen war. Sie hatte Mahlzeiten gegessen, Musik gehört, mit Freunden geredet, sich mit dem langweiligen Krimskrams eines Durchschnittslebens herumgeschlagen und nicht eine Sekunde daran gedacht, daß ihres schon fast vorbei war.
Die Leiche war so plaziert worden, daß die Füße in Richtung Innenstadt zeigten. Nach Quinns Meinung hätte das mehr Bedeutung gehabt, wenn auch der Kopf in der Nähe aufgestellt oder vergraben worden wäre. In einem der berüchtigten Fälle, die er vor Jahren studiert hatte, waren die beiden Opfer enthauptet worden. Der Mörder, Ed Kemper, hatte sie im Garten hinter seinem Elternhaus, unter dem Schlafzimmerfenster seiner Mutter begraben.
Ein kranker Privatwitz, wie Kemper später zugegeben hatte. Seine Mutter, die ihn von Kindheit an emotionell mißbraucht hatte, wollte immer, daß ›die Leute zu ihr aufschauen‹, hatte er gesagt.
Der Kopf dieses Opfers war nicht gefunden worden, und der Boden war zu hart, der Mörder hatte ihn nicht vergraben können.
»Es gibt einen Haufen Theorien dazu, warum er sie verbrennt«, sagte Walsh. Er wippte ein bißchen auf den Fußballen, versuchte erfolglos zu verhindern, daß sich die Kälte wie mit Messern in seine Knochen bohrte. »Einige halten ihn bloß für einen Trittbrettfahrer der Wirth Park Morde. Andere meinen, es wäre Symbolik: Huren der Welt brennt in der Hölle – sowas in der Richtung. Einige glauben, er versucht, die forensischen Beweismittel und gleichzeitig die Identität des Opfers zu vernebeln.«
»Warum läßt er dann den Führerschein da, wenn er sie nicht identifiziert haben will?« sagte Quinn. »Jetzt nimmt er der hier den Kopf. Wodurch sie ziemlich schwer zu erkennen ist – er hätte sie gar nicht verbrennen müssen.
Und trotzdem läßt er den Führerschein da.«
»Sie glauben also, er versucht, Spuren zu beseitigen?«
»Vielleicht. Was nimmt er denn als Zünder?«
»Alkohol. Irgendeinen hochprozentigen Wodka oder sowas.«
»Dann ist das Feuer wahrscheinlich eher ein Teil seiner Unterschrift als ein Teil seiner Vorgehensweise«, sagte Quinn. »Es könnte sein, daß er Spuren beseitigen will, aber wenn das alles ist, was er wollte, warum hat er dann nicht einfach Benzin genommen? Es ist billig. Es ist einfach zu bekommen, mit wenig oder keinem Umgang mit anderen Menschen. Er nimmt Alkohol eher aus einem emotionalen Grund als aus einem praktischen. Dadurch wird es ein Teil des Rituals, Teil der Fantasie.«
»Oder vielleicht ist er ein großer Trinker.«
»Nein. Ein Trinker verschwendet guten Schnaps nicht.
Und genau so würde er das bezeichnen: Verschwendung von gutem Schnaps. Er trinkt vielleicht vor der Jagd. Er trinkt vielleicht während der Folter-und Mordphase. Aber er ist kein Säufer. Ein Säufer würde Fehler machen. So wie sich das anhört, hat der Typ bis jetzt noch keinen gemacht.«
Zumindest keinen, den jemand bemerkt hatte. Er dachte wieder an die beiden Nutten, deren Tod dem dieser Frau vorausgegangen war, und fragte sich, wer diese Fälle abgekriegt hatte: ein guter Cop oder ein schlechter Cop.
Jede Abteilung hat ihren Anteil von beiden. Er hatte Cops gesehen, die achselzuckend und schlafwandelnd durch eine Ermittlung stolperten, als hätten sie das Gefühl, das Opfer wäre ihre Zeit nicht wert. Und er hatte gesehen, wie Veteranen in der Polizei zusammenbrachen und über den gewaltsamen Tod eines Menschen weinten, neben den sich die meisten Steuerzahler nicht einmal im Bus setzen würden.
Er klappte die Akte zu. Regen lief über seine Stirn und tropfte von seiner Nase.
»Das ist nicht der Platz, an dem er die anderen abgelegt hat, nicht wahr?«
»Nein. Eine wurde im Minnehaha Park und eine im Powderhorn Park gefunden. Verschiedene Stadtteile.«
Er würde sich Karten ansehen müssen, um zu prüfen, in welchem Verhältnis die Ablageplätze zueinander lagen, wo jede Entführung stattgefunden hatte und um zu versuchen, sowohl das Jagdgebiet als auch das Mord-und/oder Ablageterritorium abzugrenzen. Die Soko hätte Karten in ihrer Kommandozentrale an die Wand geheftet und mit kleinen rotköpfigen Stecknadeln gespickt.
Standardausrüstung. Er mußte nicht darum bitten. Sein Kopf wimmelte bereits vor Karten, die vor Nadeln
strotzten. Fahndungen, die ineinander verschwammen wie Schulhofwettkämpfe, und
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