Feuermale
herumfummelte, um eine Vernehmung ein drittes Mal
zurückzuspulen, stand Kate auf, beugte sich über den Tisch und drückte auf Stop.
»Sie haben Ihren Standpunkt klargemacht. Sie haben Ihre Rache gehabt. Genug ist genug«, sagte sie leise.
»Ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Er sagte es fast wie eine Herausforderung, ohne eine Spur von Ehrlichkeit. Er weigerte sich, ihr direkt in die Augen zu sehen.
»Wissen Sie, von all dem, was ich an Ihnen verachte, Rob, müßte das an der Spitze meiner Liste stehen. Sie sind ein passiv aggressiver kleiner Scheißer, und man sollte meinen, Sie würden mich für diese Bemerkung feuern, aber das wäre viel zu direkt für Sie. Sollten Sie durch irgendein Wunder den Mumm dazu finden, ist mir das recht. Ich würde natürlich lieber hierbleiben. Ich mag dieses Büro. Ich mag die meisten Leute, mit denen ich arbeite. Aber ich bin verdammt gut in meinem Job, und ich kann sofort einen anderen kriegen. Ich werde mir nicht gefallen lassen, daß Sie mich manipulieren und mich zwingen, Ihre kleinen passiv aggressiven Psychospielchen mit mir zu treiben.«
»Entschuldigen Sie sich«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Er stemmte seine Hände auf den Tisch, schob sich schwer atmend ein Stück aus seinem Stuhl hoch. »Entschuldigen Sie sich für das, was Sie gerade zu mir gesagt haben.«
Kate trat zurück und schickte ihm einen langen, eisigen Blick. »In Ordnung. Ich entschuldige mich. Es tut mir leid, daß ich Sie nicht mag, Rob. Es tut mir leid, daß ich Sie nicht respektieren kann. Wenn ich dächte, daß Sie es verdienten, würde ich Ihnen bis zu meinem Todestag die Stange halten. Aber Sie haben sich meinen Respekt nicht verdient, und einfach so können Sie ihn nicht haben.«
»Und jetzt werden Sie mich entschuldigen müssen«, fuhr sie fort. »Ich habe nämlich gerade die drittschlimmsten vierundzwanzig Stunden meines Lebens hinter mich gebracht, und ich habe das Gefühl, am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen. Ich gehe nach Hause.
Rufen Sie an, wenn Sie nicht wollen, daß ich zurückkomme.«
Er hatte kein Wort gesagt, als sie den Raum verließ.
Zumindest hatte sie ihn nicht gehört, so heftig rauschte ihr Puls in ihren Ohren. Sie hatte erwartet, daß er einen seiner zischigen kleinen Anfälle bekäme, und sie hätte es, Gott weiß, wahrscheinlich verdient, gefeuert zu werden, aber ihr Taktgefühl war schlicht und einfach erschöpft. Die ganze Politur von Manieren und gesellschaftlichem Quatsch war abgekratzt, es blieben nur rohe Emotionen.
Sie spürte immer noch, wie es sie durchflutete, als wäre irgendeine lebenswichtige Arterie geplatzt. Sie hatte das Gefühl, daran zu ersticken, darin zu ertrinken.
Und alles, was sie wollte, war Quinn finden und in seine Arme fallen.
Sie hatte so hart daran gearbeitet, ihr Leben wieder zusammenzusetzen, Stück für Stück, auf einem neuen Fundament. Und jetzt geriet dieses Fundament in Bewegung. Nein. Noch schlimmer – sie hatte entdeckt, daß es direkt über der St. Andreas Spalte ihrer Vergangenheit gebaut war, sie nur verdeckte. Nicht neu, nicht stärker, nur eine Lüge, die sie sich in den letzten fünf Jahren jeden Tag vorgebetet hatte: daß sie John Quinn nicht brauchte, um sich ganz zu fühlen.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und Verzweiflung gähnte durch sie, und sie blieb schmerzbeladen, leer, allein und voller Angst zurück. Aber sie unterdrückte die Tränen und stellte einen Fuß vor den anderen. Geh nach Hause, sammle dich, nimm einen Drink, versuch zu schlafen.
Morgen war auch noch ein Tag.
Sie zog ihren Mantel an, raffte Angies Akte zusammen, schnappte sich ihre Post, die Nachrichten und die Faxe, die sich während des Tages angehäuft hatten, und warf alles in ihre Aktentasche. Sie streckte die Hand aus, um die Schreibtischlampe auszuschalten, aber dann wanderte ihre Hand zu den Regalen, und sie griff nach dem kleinen, gerahmten Foto von Emily.
Süße, lächelnde kleine Putte in einem sonnig gelben Kleid. Eine strahlende Zukunft lag vor ihr. Das hätte jemand mit normaler menschlicher Arroganz zumindest angenommen. Kate fragte sich, ob es vielleicht irgendwo in irgendeiner alten Schuhschachtel ähnliche Fotos gab von Angie DiMarco… oder Melanie Hessler… Lila White, Fawn Pierce, Jillian Bondurant.
Es gab im Leben keine Garantie. Nie gab es Versprechen, die nicht gebrochen werden konnten. Das wußte sie aus erster Hand. Sie hatte zu viele mit bester Absicht gegeben und dann mitangesehen, wie
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