Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
er Kovác oder Fowler, den Lieutenant vom Morddezernat anrufen.
    Quinn rief niemanden zurück, zog es vor zu warten, bis er sein Abendessen gegessen hatte.
    Die Zehnuhrnachrichten eröffneten mit dem neuesten Mord, mit Aufnahmen davon, wie die Tatorteinheit den Müllplatz des Parkes durchkämmte, dann folgte ein Band von der Pressekonferenz. Ein Foto von Jillian Bondurant wurde gezeigt und ein weiteres von ihrem roten Saab.
    Gute dreieinhalb Minuten Bericht, insgesamt. Durchschnittliche Berichte hatten nur halb soviel Sendezeit.
    Quinn holte die Akten der ersten beiden Morde aus seiner Aktentasche und stapelte sie auf dem Schreibtisch.
    Kopien von Ermittlungsberichten und Tatortfotos. Autopsieberichte, Laborberichte, erste und anschließende Ermittlungsberichte. Zeitungsausschnitte sowohl aus der Minneapolis Star Tribüne als auch aus der St. Paul Pioneer Press. Beschreibungen und Fotos vom Schauplatz des Verbrechens.
    Er hatte klar und deutlich gesagt, daß er keine Informationen über mögliche Verdächtige wollte, falls es welche gäbe, und es waren auch keine dabei. Er konnte nicht zulassen, daß die Überlegungen von irgend jemandem über einen möglichen Verdächtigen sein Urteilsvermögen trübten oder seine Analyse in die eine oder andere Richtung steuerten. Das war ein weiterer Grund, warum er das Profil lieber in seinem Büro in Quantico erstellt hätte.
    Hier war er zu nah, er war umgeben von dem Fall. Die daran beteiligten Persönlichkeiten konnten Reaktionen auslösen, die er nicht hätte, wenn er nur eine Ansammlung von Adjektiven und Fakten betrachtete. Es gab zuviel wertlosen Input, zu viele Ablenkungen.
    Zu viele Ablenkungen, wie Kate. Die nicht angerufen hatte und die eigentlich auch keinen Grund dazu hatte.
    Außer, daß sie einmal etwas Besonderes geteilt hatten… und es einfach hinter sich gelassen hatten… es hatten sterben lassen.
    Nichts im Leben eines Mannes hat soviel Ablenkungskraft wie die unreparierbare Vergangenheit. Das einzige Mittel, das er gegen die Vergangenheit gefunden hatte, war der Versuch, die Gegenwart zu kontrollieren, was darauf hinauslief, sich selbst in den augenblicklichen Fall einzugießen. Sich intensiv darauf zu konzentrieren, die Kontrolle über die Gegenwart zu behalten. Und die Kontrolle über seinen Verstand zu bewahren. Und wenn die Nächte sich lange hinzogen – was sie alle taten – und sein Verstand mit den Einzelheiten von hundert Morden raste, konnte er spüren, wie er den Halt bei beiden verlor.

    Angie saß am Kopf des kleinen, harten Doppelbetts, den Rücken in eine Ecke gepreßt, damit sie spürte, wie der knubbelige Putz sich durch das lose Flanellhemd bohrte, das sie übergezogen hatte. Sie saß da, die Knie unters Kinn hochgezogen, die Arme fest um ihre Beine geschlungen. Die Tür war geschlossen, sie war allein. Das einzige Licht, das durch die Fenster fiel, stammte von einer fernen Straßenlampe.
    Das Phoenix war ein Haus für Frauen, die sich ›zu einem neuen Anfang erhoben‹. So stand es auf dem Schild draußen vor dem Haus. Es war ein großes, weitläufiges altes Gebäude mit knarzenden Böden und ohne Schnickschnack. Kate hatte sie hierhergebracht und einfach abgeladen unter den Ex-Nutten und Ex-Junkies und Frauen, auf der Flucht vor Freunden, die sie windelweich prügelten.
    Angie hatte sich ein paar von ihnen angeschaut, als sie in einem großen Wohnzimmer voller mieser Möbel fernsahen, und dabei gedacht, wie dumm die sein mußten. Wenn sie eins im Leben gelernt hatte, dann, daß man miesen Umständen entfliehen konnte, aber man konnte nie dem entfliehen, der man war. Deine persönliche Wahrheit war ein Schatten. Das konnte man nicht abstreiten oder ändern oder loswerden.
    Sie spürte, wie der Schatten jetzt über sie strich, kalt und schwarz. Ihr Körper zitterte und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie hatte den ganzen Tag, die ganze Nacht dagegen angekämpft. Vor Kate hatte sie Angst gehabt, es würde sie einfach ganz verschlingen – eine Vorstellung, die ihre Panik noch steigerte. Sie durfte vor niemandem die Beherrschung verlieren. Dann wüßten sie, daß sie verrückt war, daß bei ihr was nicht stimmte. Sie würden sie ins Irrenhaus schaffen. Dann wäre sie endgültig allein.
    Sie war jetzt allein.
    Das Zittern begann in ihrem Innersten, dann verstärkte es sich zu einem breiten, hohlen Gefühl. Gleichzeitig spürte sie, wie ihr Bewußtsein schrumpfte und schrumpfte, bis sie sich fühlte, als sei ihr Körper nur eine Hülle und

Weitere Kostenlose Bücher