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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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zum Schreibtisch und durchblätterte den Ordner bis zu dem Teil mit den Fotos: 20 x 20 cm, Farbabzüge, ordentlich beschriftet nach Inhalt. Die Schauplätze der Verbrechen: allgemeine Aufnahmen, Beschaffenheit der Umgebung, Position der Leichen aus diversen Perspektiven, Nahaufnahmen der verbrannten, geschändeten Frauen. Und aus dem Büro des Gerichtsmediziners: allgemeine und Nahaufnahmen der Opfer vor und nach der Säuberung im Leichenschauhaus, Autopsiefotos, Nahaufnahmen von Wunden. Wunden, die vor dem Tod zugefügt wurden – Anzeichen für einen sexuellen Sadisten. Wunden, nach dem Tod beigebracht – die mehr fetischistisch als sadistisch waren, wesentlicher Bestandteil der Fantasien des Killers.
    Ausgefeilte Fantasien. Fantasien, die er über eine sehr, sehr lange Zeit entwickelt hatte.
    Er blätterte langsam die Nahaufnahmen der Wunden durch, untersuchte jedes Mal, was der Mörder hinterlassen hatte, verweilte bei den Stichwunden in der Brust der Opfer. Acht Stichwunden, in einer Gruppe gedrängt, längere Wunden, die sich mit kürzeren in einem spezifischen Muster abwechselten.
    Von allen grausigen Aspekten der Morde machte ihm das am meisten zu schaffen. Mehr als das Verbrennen.
    Das Verbrennen schien mehr als Show, eine öffentliche Aussage. Asche zu Asche. Eine symbolische Bestattung, das Ende seiner Verbindung mit dem Opfer. Diese Stichwunden bedeuteten etwas Persönlicheres, Intimeres.
    Was?
    Eine Kakophonie von Stimmen erfüllte Quinns Kopf: Bondurants, Brandts, die des Gerichtsmediziners, Kovács, die der Cops, der Pathologen und Experten und Agenten von hunderten früherer Fälle. Alle von ihnen mit einer Meinung oder einer Frage oder einem Vorurteil. Alle von ihnen so laut, daß er sich selbst nicht mehr denken hören konnte. Und die Müdigkeit schien den Lärm noch zu verstärken, bis er jemanden anflehen wollte, ihn doch abzustellen.
    The Mighty Quinn. So nannten sie ihn daheim in Quantico. Wenn sie ihn jetzt sehen könnten… Er fühlte sich, als würde er an der Angst ersticken, ihm könnte etwas entgehen, oder er könnte die Untersuchung in die Irre leiten.
    Das System lief auf overload, und er war derjenige am Schalter – und da war der beängstigendste Gedanke: daß nur er die Dinge ändern konnte, aber er würde die Dinge nicht ändern, weil, so furchtbar das auch war, die Alternative ihm noch mehr Angst machte. Ohne den Job gab es keinen John Quinn.
    Ein feines Zittern begann tief in seinem Innersten und arbeitete sich heimlich in seine Arme vor. Er kämpfte dagegen an, haßte es, spannte seinen Bizeps und seinen Trizeps, versuchte, die Schwäche in sich zurückzuzwingen. Mit zugekniffenen Augen ließ er sich auf den Boden fallen und machte Liegestützen. Zehn, zwanzig, dreißig, mehr, bis seine Arme sich anfühlten, als ob die Haut platzte, unfähig, die schwellende Muskelmasse noch zu halten, bis der Schmerz den Lärm aus seinem Kopf brannte und er nur noch das Hämmern seines eigenen Pulses hören konnte. Und dann zwang er sich aufzustehen, schwer atmend, warm und feucht von Schweiß.
    Er konzentrierte sich auf das Foto vor ihm, sah nicht das zerfetzte Fleisch oder das Blut oder die Leiche, sah nur das Muster auf der Wunde: X über X.
    »Cross my heart«, murmelte er, fuhr mit der Fingerspitze über die Linien ›Hope to die‹. Das große Kinderehrenwort Amerikas.
    »Ein Serienmörder streicht durch die Straßen von Minneapolis. Heute hat die Polizei von Minneapolis die Phantomzeichnung des Mannes freigegeben, der möglicherweise drei Frauen brutal ermordet hat und das ist unsere Top Story heute abend…«
    Die Frauen des Phoenix House saßen in, auf und um die nicht zusammenpassende Ansammlung von Stühlen und Sofas im Wohnzimmer. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf den breitschultrigen Nachrichtensprecher von Channel Eleven mit dem energischen Kinn. Die Kamera machte einen Schnitt auf einen Filmbericht des nachmittäglichen Pressebriefings, bei dem der Chief der Polizei die Skizze des Feuerbestatters hochhielt, dann erschien die Skizze selbst auf dem Bildschirm.
    Angie sah von der Tür aus zu, ihre Aufmerksamkeit galt den Frauen. Ein paar von ihnen waren kaum älter als sie.
    Vier Anfang zwanzig. Eine war älter, fett, häßlich. Die Fette trug ein ärmelloses Top, weil die Heizung verrückt spielte und das Haus so heiß und trocken wie die Wüste war. Ihre Oberarme schlabberten, frischbauchweiß. Ihr Bauch ruhte auf ihren Schenkeln, wenn sie sich setzte.
    Angie wußte, daß die

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