Feuermale
Er konnte nicht dabeisein, wenn ein Dutzend Cops Theorien und Namen von Verdächtigen wie Bälle jonglierte. Er fühlte sich ohnehin schon verseucht.
Jetzt war raus, daß John Quinn in den Fall Feuerbestatter eingeschaltet worden war. Kovác hatte die schlechte Nachricht nach dem Presse-Briefing durchtelefoniert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er selbst den Medien gegenübertreten mußte.
Verdammt, er hatte mehr Zeit gewollt. Er hatte diese nächsten paar Stunden. Er hätte sich einnisten und sich verlieren sollen, aber das war ihm scheinbar nicht möglich. Erschöpfung zerrte an ihm. Sein Magengeschwür brannte. Er hatte Hunger und wußte, daß er Brennstoff brauchte, um sein Gehirn in Gang zu halten, aber er wollte keine Zeit mit Rausgehen verschwenden. Zuviele Informationen und das Summen von zuviel Koffein schwirrten durch seinen Kopf. Und das war das vertraute Gefühl von Rastlosigkeit, das tief in seinem Inneren vibrierte – die Dringlichkeit, die bei jedem Fall aufstieg, dem er so nahe kam. Diesmal setzte sie sich aus mildernden Umständen und bruchstückhaften Erinnerungen aus der Vergangenheit zusammen und einem Gefühl, das sich in letzter Zeit immer häufiger bei ihm einschlich – Angst. Die Angst, daß er bei diesem Fall nicht schnell genug etwas bewirken würde. Die Angst, daß er Mist bauen würde. Die Angst, daß die Müdigkeit, die ihn belastete, plötzlich zuviel werden könnte. Die Angst, daß das, was er wirklich wollte, einfach sein könnte: vor allem wegzulaufen.
Um diesen Gefühlen zu entrinnen, mußte er sich bewegen, also begann er, vor der Wand mit Notizen auf und ab zu laufen, erfaßte kleine Abschnitte davon mit einem Blick. Die Gesichter von Bondurant und Brandt taumelten wie Blätter durch seinen Kopf.
Peter Bondurant hielt mehr zurück, als er ihnen gab.
Lucas Brandt hatte eine Lizenz, Geheimnisse zu wahren.
Quinn wünschte, er wäre keinem von beiden je begegnet. Er hätte sich heftiger dagegen wehren sollen, in einem so frühen Stadium der Ermittlungen hierherzukommen, dachte er und rieb einen Knoten in seiner rechten Schulter.
Hier ging es um Kontrolle. Wenn er die Bühne mit durchgeplanter Strategie betrat, hatte er die Oberhand.
Diese Methode fand bei mehr als nur diesem Fall Anwendung. So steuerte er sein ganzes Leben – angefangen vom Umgang mit der Bürokratie bei seinem Job, über den Umgang mit den Chinesen, die die Postfächer betrieben, von denen er eines unterhielt, bis hin zum Lebensmittelkauf. In jeder und allen Situationen und Beziehungen war Kontrolle der Schlüssel.
Kate glitt in den Hintergrund seines Bewußtseins, als wolle sie ihn reizen. Wieviele Male hatte er im Lauf der Jahre durchgespielt, was zwischen ihnen passiert war, seine eigenen Aktionen und Reaktionen angepaßt, um ein anderes Ergebnis zu erhalten? Öfter, als er zugeben würde.
Kontrolle und Strategie waren seine Schlag-Wörter. Er hatte keines von beiden bei Kate. Erst waren sie Bekannte gewesen, dann Freunde, dann steckten sie bis zum Hals drin. Keine Zeit zu denken, zu verstrickt in den Augenblick, um irgendeine Perspektive zu haben, gegenseitig angezogen von einem Bedürfnis und einer Leidenschaft, die stärker als sie beide waren. Und dann war es vorbei, und sie war weg und… nichts. Nichts außer Reue, daß er es einfach hatte liegen lassen, überzeugt, daß sie beide letztendlich einsehen würden, daß es das Beste war.
Es war das Beste. Auf jeden Fall für Kate. Sie hatte hier ein Leben. Sie hatte eine neue Karriere, Freunde, ein Zuhause. Er hätte vernünftig genug sein müssen, sich von all dem fernzuhalten, keine schlafenden Hunde zu wecken, aber die Versuchung dieser Gelegenheit lockte ihn wie ein winkender Finger oder ein verführerisches Lächeln. Und die Wucht all dieser Reue schob ihn von hinten an.
Fünf Jahre waren wohl eine lange Zeit, Bedauern mit sich herumzutragen, aber anderes hatte er noch länger mit sich herumgetragen. Fälle, die nicht aufgeklärt waren, verlorene Prozesse, ein Kindesmörder, der entflohen war.
Seine Ehe, der Tod seiner Mutter, der Alkoholismus seines Vaters. Vielleicht hatte er nie etwas losgelassen. Vielleicht war das der Grund, warum er sich innerlich so hohl fühlte: Da war kein Platz mehr für irgend etwas anderes, außer dem vertrockneten Müll seiner Vergangenheit.
Er fluchte vor sich hin, angewidert von sich selbst. Er sollte doch eigentlich in den Verstand eines Kriminellen eintauchen, nicht in seinen eigenen.
Er konnte sich
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