Feuermale
etwas Besonderes sein. Sie wollte nicht allein sein. Es spielte keine Rolle, daß andere Leute in diesem Haus waren. Keiner von ihnen war mit ihr dort. Sie gehörte nicht hierher. Man hatte sie hier abgesetzt, wie einen ungewollten Welpen. Scheißbullen. Sie wollten Sachen von ihr, wollten ihr aber nichts dafür geben. Sie war ihnen scheißegal. Es war ihnen ganz egal, was sie von ihnen wollen könnte.
Kate war zumindest halbwegs ehrlich, dachte Angie, während sie im Zimmer auf und ab lief. Aber sie konnte nicht vergessen, daß Kate trotzdem eine von ihnen war. Es war Kate Conlans Job zu versuchen, einen Fuß in die Tür ihrer Abwehr zu kriegen, damit die Cops und der Bezirksstaatsanwalt kriegten, was sie wollten. Und damit wäre die Sache beendet. Sie war nicht wirklich eine Freundin.
Angie konnte die einzigen Freunde, die sie je gehabt hatte, an einer Hand abzählen und es waren noch Finger übrig.
Heute abend wollte sie einen haben. Sie wollte nicht in diesem Haus festsitzen. Sie wollte irgendwo hingehören.
Sie dachte an die brennende Frau im Park, dachte daran, wohin diese Frau gehört hatte, und fragte sich verträumt, was passieren würde, wenn sie einfach den Platz dieser Frau einnähme. Sie wäre dann die Tochter eines reichen Mannes. Sie hätte dann einen Vater und ein Zuhause und Geld.
Sie hatte einmal einen Vater gehabt. Sie hatte die Narben, um es zu beweisen. Sie hatte ein Zuhause gehabt: Sie konnte das saure Fett in der Küche immer noch riechen, konnte sich noch an die großen dunklen Schränke, die von außen zugesperrt wurden, erinnern. Geld hatte sie noch nie gehabt.
Sie legte sich mit Kleidern ins Bett und wartete, bis das Haus still war und ihre Zimmergenossin schnarchte. Dann glitt sie unter der Decke heraus und aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und durch die Hintertür nach draußen.
Die Nacht war windig. Wolken rollten so schnell über den Himmel, daß es aussah wie eine Zeitrafferaufnahme.
Die Straßen waren leer bis auf einen gelegentlichen Wagen, der eine der großen Querstraßen Richtung Norden und Süden entlangrollte. Angie bewegte sich in Richtung Westen, nervös, zappelig. Das Gefühl, beobachtet zu werden, kratzte ständig an ihrem Nacken, aber wenn sie über die Schulter sah, war da keiner.
Die Zone jagte sie wie ein Schatten. Wenn sie weiterging, wenn sie eine Absicht hätte, sich auf ein Ziel konzentrierte, dann würden sie sie vielleicht nicht erwischen.
Die Häuser entlang des Wegs waren dunkel. Äste klapperten im Wind. Als sie zum See kam, lag er da, schwarz und glänzend wie eine Öllache. Sie hielt sich an die dunkle Seite der Straße und ging Richtung Norden. Die Leute in diesem Viertel würden die Polizei rufen, wenn sie jemanden so spät nachts gehen sahen.
Sie erkannte das Haus aus den Nachrichten – wie etwas aus England, mit einem großen Eisenzaun drum herum.
Sie bog ab und erklomm den Abhang auf der Hinterseite des Besitzes, die großen Bäume gaben ihr Deckung.
Hecken versperrten drei Jahreszeiten lang den Blick auf das Haus, aber ihre Blätter waren jetzt abgefallen und sie konnte durch das Gewirr kleiner Äste schauen.
Im Haus brannte ein Licht, in einem Zimmer mit einer feinen verglasten Tür, die zum Patio führte. Angie stand am Zaun, sorgfältig darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, und starrte in Peter Bondurants Garten. Sie schaute vorbei am Swimmingpool und den Steinbänken und den schmiedeeisernen Tischen und Stühlen, die noch nicht für den Winter eingelagert waren. Sie sah sich den bernsteinfarbenen Schein im Fenster an und die Gestalt eines Mannes, der an einem Schreibtisch saß, und fragte sich, ob er sich auch so einsam fühlte wie sie. Sie fragte sich, ob ihm sein Geld jetzt ein Trost war.
Peter erhob sich von seinem Schreibtisch und bewegte sich durch sein Büro, rastlos, angespannt. Er konnte nicht schlafen, weigerte sich, die Pillen zu nehmen, die sein Arzt ihm verschrieben und ins Haus geliefert hatte. Der Alptraum war in seinem Bewußtsein lebendig: der orange Glanz der Flammen, der Geruch. Wenn er die Augen schloß, konnte er es sehen, die Hitze fühlen. Er konnte Jillians Gesicht sehen: den Schock, die Scham, den Schmerz. Er konnte ihr Gesicht frei schweben sehen, der Ansatz des Halses zerfetzt und blutig. Wenn sein Kopf schon im Wachzustand mit Bildern wie diesen gefüllt war, was würde er dann erst sehen, wenn er einschlief?
Er ging zu den Glastüren, starrte hinaus in die Nacht, schwarz und kalt, und glaubte, Augen
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