Feuermale
Wärme durchflutet sein Gehirn und brandet durch seinen Körper.
Wenn Yvonne Vetter jetzt den Rasen überquert, wird er sie töten. Er wird sie packen und ihre Schreie mit den Zeitungen, die er in der Hand hält, ersticken. Er wird sie rasch in die Garage zerren, ihren Kopf gegen die Wand klatschen, um sie auszuschalten, dann zuerst den Hund töten, um sein infernalisches Bellen zu stoppen. Dann wird er ausrasten und Yvonne Vetter auf eine Art töten, die einen bösartigen Hunger, der tief in ihm begraben ist, befriedigen wird.
Sie schickt sich an, die Vordertreppe ihres Hauses hinunterzusteigen.
Die Muskeln um seinen Rücken und seine Schultern spannen sich an. Sein Puls beschleunigt.
»Bitsy!! Komm jetzt!«
Seine Lunge füllt sich. Seine Finger krallen sich in die Zeitungen.
Der Hund bellt ihn ein letztes Mal an, dann huscht er zurück zu seinem Frauchen. In fünf Metern Entfernung bückt sich die Vetter und rafft das Tier in ihre Arme, als wäre es ein Kind. Die Gelegenheit stirbt wie ein ungesungenes Lied.
»Er ist aufgeregt heute abend«, sagt er lächelnd.
»Er wird so, wenn er zuviel drinnen ist. Er mag Sie auch nicht«, sagt Mrs. Vetter trotzig und bringt den Hund in ihr Haus zurück.
»Scheißluder«, flüstert er. Der Zorn wird noch weiter in ihm vibrieren, wie eine Stimmgabel, die noch lange, nachdem sie angeschlagen wurde, nachschwingt. Er wird die Fantasie, wie er Yvonne Vetter umbringt, immer und immer wieder durchspielen.
Er geht in die Garage, wo der Blazer und ein roter Saab stehen, und betritt das Haus durch die Seitentür, begierig darauf, in den beiden Zeitungen über den Feuerbestatter zu lesen. Er wird alle Artikel, die die Untersuchung betreffen, ausschneiden und sie fotokopieren, denn Zeitungsdruck ist billig und hält nicht lange. Er hat sowohl die nationalen als auch die lokalen Nachrichten aufgenommen und wird darauf achten, ob der Feuerbestatter erwähnt wird.
Der Feuerbestatter oder Smokey Joe. Die Spitznamen amüsieren ihn. Sie klingen wie etwas aus einem Comic-Heft. Sie beschwören Bilder von Nazikriegsverbrechern oder Monstern aus schlechten Filmen herauf. Der Stoff, aus dem Alpträume sind.
Er ist der Stoff, aus dem Alpträume sind.
Und wie die Kreaturen der Kindheitsalpträume geht er in den Keller. Der Keller ist sein persönlicher Raum, seine ideale Zuflucht. Der Hauptraum ist als Amateurtonstudio ausgebaut. Wände und Decke mit schallschluckenden Platten verkleidet. Schiefergrauer glatter Teppich. Er mag die niedrige Decke, den Mangel an natürlichem Licht, das Gefühl, in der Erde zu sein, umgeben von dicken Betonmauern. Seine eigene, sichere Welt. Genauso wie damals, als er noch ein Junge war.
Er geht den Gang hinunter und in das Spielzimmer, hält die Zeitungen vor sich, um die Schlagzeilen zu bewundern.
»Ja, ich bin berühmt«, sagt er lächelnd. »Aber sei nicht traurig. Du wirst auch bald berühmt sein. Es gibt nichts Vergleichbares.«
Er dreht sich zum Billardtisch, hält die Zeitungen schief, damit die nackte Frau, die mit gespreizten Händen und Füßen darauf gefesselt ist, einen Blick auf die Schlagzeilen werfen kann, wenn sie will. Statt dessen starrt sie ihn an, ihre Augen sind glasig vor Furcht und Tränen. Die Geräusche, die sie macht, sind keine Worte, sondern die elementarsten Vokalisierungen des elementarsten Gefühls – Furcht.
Die Geräusche berühren ihn wie elektrische Ströme, geben ihm Energie. Ihre Angst gibt ihm die Kontrolle über sie. Kontrolle ist Macht. Macht ist das ultimative Aphrodisiakum.
»Schon bald wirst du Teil dieser Schlagzeile sein«, sagt er und streicht mit dem Finger die fetten schwarzen Lettern auf Seite Eins der Star Tribüne entlang. »Asche zu Asche.«
Der Tag glitt in den Abend, in die Nacht. Quinns einziger Anzeiger war seine Uhr, auf die er nur selten sah. In dem Büro, das man ihm überlassen hatte, gab es keine Fenster, nur Wände. Er hatte den Tag damit verbracht, diese mit Notizen zu pflastern, oft mit dem Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, im Blacksburg Fall beratend, wo der Verdächtige scheinbar kurz vor dem Geständnis war. Er hätte dort sein sollen. Sein Bedürfnis, alles zu kontrollieren, förderte die Einbildung, er könnte alle Fehler verhindern, obwohl er wußte, daß das nicht stimmte.
Kovác hatte ihm einen Platz in dem Bereich angeboten, den die Soko inoffiziell das Büro zum liebevollen Händchen des Todes getauft hatte. Er hatte abgelehnt. Er brauchte Trennung, Isolation.
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