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Feuermohn

Feuermohn

Titel: Feuermohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Martini
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steckte.
    Wie von Geisterhand begannen sich die dunklen Wolken zu teilen. Gleißendes Sonnenlicht schob sich mehr und mehr dazwischen, ließ den Regenguss versiegen und das Gewitter weiterziehen. Ein für einen Moment aufblinkender Regenbogen zauberte ein wunderschönes Farbenspiel an den Horizont und ein kleines Lächeln in Annas Mundwinkel. Vielleicht würde der Tag ja besser werden, als es ihr Bauchgefühl seit Stunden signalisierte.
    Die schmale Straße begann sich zu gabeln. Zur Rechten ging der Weg weiter bis zur nächsten Ortschaft. Zur Linken führte er zwischen zwei riesigen Steinsäulen hindurch durch ein kleines Waldstück, das sie schließlich zu der Lichtung brachte, auf der Aaron Vanderbergs berühmt-berüchtigtes Anwesen lag. Hier würde noch an diesem Abend der alljährliche Mohnball stattfinden.
    Das riesige schmiedeeiserne Tor war geschlossen. Mit einem seltsamen Flattern in der Magengegend verließ Anna das Taxi und fühlte sich, als es davonfuhr, mit einem Mal furchtbar allein gelassen. Ein neues, ganz und gar nicht willkommenes Gefühl.
    Die flirrende Hitze, die sich diesen Junitag zurückerobert hatte, legte sich wie ein Käfig erbarmungslos und schwer um ihren Körper. Sie wollte diese Last abschütteln, ersehnte den Schutz eines mächtigen Baumes, der seine laubbehangenen Äste majestätisch über ihr Haupt ausbreitete und kühlen Schatten spendete.
    Zögerlich hob Anna ihre Hand, betätigte den grün-goldenen Klingelknopf und atmete tief.
    Ein leises Surren, und schon wurde ihr Gesicht von der winzigen Kamera erfasst. Das Tor glitt lautlos zur Seite. Anna zuckte zusammen, als es hinter ihr sofort wieder ins Schloss fiel.
    Gefangen, dachte sie für einen winzigen Moment.
    Es gelang ihr, dieses ungute Gefühl zu unterdrücken. Entschlossen setzte sie einen Fuß vor den anderen.
    Inmitten eines riesigen, von Laternen gesäumten Mohnfeldes führte ein Weg fünfzig Meter weiter zum imposanten Anwesen von Aaron Vanderberg.
    Am liebsten hätte sie ihre Schuhe von den Füßen gestreift und wäre barfuß durch diese feuerrote Pracht gelaufen, hätte sich hineingeworfen, leise seufzend die Augen geschlossen und sich von einem leichten Sommerwind streicheln lassen. Doch dafür blieb keine Zeit. Außerdem blies kein Sommerwind. Die Luft, warm und duftgeschwängert, war regungslos.
    Die Leuchtkraft des Mohns und die Zartheit seiner Blüte erinnerte Anna an Schmetterlingsflügel. Sie liebte Mohnblumen. Hatten sich nicht die Tränen der Aphrodite in Mohnblüten verwandelt, als sie um ihren geliebten Adonis weinte?
    Mohn – Blume der Träume. Sie war Morpheus, dem Gott der Träume und des Schlafes geweiht … Morpheus, der diese Blume geschaffen hatte.
    Die riesige Villa mit ihren Erkern und der schneeweißen Fassade wirkte aus dieser Entfernung märchenhaft, fast wie ein verwunschenes Schloss.
    Annas entzücktes Staunen wuchs, je näher sie kam. Das Anwesen war von einem weitläufigen Garten mit alten Bäumen, Rosenbüschen, Blumenrabatten, Holundersträuchern, Rasenflächen und verwunschenen Wegen umgeben. Manche Ecken waren auch hier über und über mit Mohnblumen bestückt. Der Garten gefiel ihr. Es war einer dieser wunderbaren alten Gärten, in denen alles wild, aber dennoch gepflegt wuchs, und in denen man unter Holunderbüschen zerbrochene steinerne Gartenfiguren entdecken konnte. Linden und Buchen gaben sich die Hand mit wilden Heckenrosen. Überall führten schmale Wege zwischen Heckengängen hinter das Haus und in die Tiefe des Gartens, und dort, wo man durchblicken konnte, sah man Lauben, Blumenoasen, Terrassen mit säulengestützten Balustraden, gewundene Treppen, rotlackierte Gartenbänke, steinerne Vasen und Amphoren. Die Sonne legte einen orangefarbenen Schimmer auf dieses Bild, ließ die Blätter der nassen Bäume und Sträucher aufblitzen, und die Blumen leuchten.
    Es war zu verlockend. Deswegen beschloss Anna, nicht sofort zum Portal zu gehen, sondern die wundersame Schönheit des Gartens auf sich wirken zu lassen. Zumindest für ein Weilchen.
    Mit angehaltenem Atem schlenderte sie durch einen der Heckengänge. Alles wirkte verwunschen, zu trägen Träumen anregend, die in der Wirklichkeit zwar keinen Bestand haben konnten, aber dennoch Labsal für die Sinne waren.
    Ein Meer an Blumen gab es hier. Leuchtende Nelken, hohe orangefarbene Tigerlilien, violette Iris, die rings um einen hübsch angelegten Teich wuchsen. Magnolienbäume blühten mit den wilden Heckenrosen und dem Flieder um die

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