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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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ihrem Sohn über sein blondes Haar, und er schmiegte sich an sie. Das Bild lag in seinem Schoß. Darauf war etwas, das Dóras Aufmerksamkeit weckte.
    »Was hast du denn da Schönes gemalt? Kannst du schon die Buchstaben?« Sie streckte die Hand nach dem Bild aus. »Darf ich mal sehen?« Der Junge war schüchtern und drehte den Kopf weg, reichte ihr aber trotzdem das Bild. Große, linkische Buchstaben mit blauem Wachsmalstift. NNI 80 . Das ähnelte auf unheimliche Weise den Ziffern, mit denen Tryggvi seine Zeichnungen markiert hatte. Das Frösteln, das Dóra schon vor dem Haus gespürt hatte, kam zurück. »Kanntest du Tryggvi? Hast du seine Zeichnungen gesehen?«
    Berglind packte den Jungen fester. »Meinst du Einvarðurs Sohn? Den habe ich nie gesehen, und Pési auch nicht. Warum? Wegen dieser Buchstaben?« Sie musterte das Bild. »Die kenne ich, aber das hat bestimmt nichts mit Tryggvi zu tun.«
    Dóra ließ das Bild sinken. »Ich weiß, dass das eine sehr direkte Frage ist, aber kann es sein, dass das Verhältnis zwischen dir und Einvarður über das rein Berufliche hinausgeht?« Dóra flüsterte fast, obwohl der Junge auf Berglinds Arm kaum verstehen konnte, worauf sie hinauswollte.
    »Moment mal, wie kommst du denn darauf?« Berglind war nicht beleidigt, nur vollkommen verblüfft. Sie setzte Pési zurecht.
    »Entschuldige bitte die Indiskretion, das muss ein Missverständnis sein.« Dóra war sich nicht sicher, ob sie der Frau glauben sollte, wollte aber keine weiteren aufdringlichen Fragen stellen, weil Berglind ohnehin alles abstreiten würde. Wenn sie eine heimliche Liebesbeziehung hatte, würde sie das bestimmt nicht vor Fremden zugeben.
    Dóra beugte sich zu dem Jungen. »Warum hast du diese Buchstaben gemalt, Pési?« Sie zeigte ihm das Blatt. Er hatte sich zwar von seiner Mutter weggedreht, hielt sich aber die Hände vors Gesicht und spähte durch seine Finger.
    »Das Fenster.« Seine Antwort war so leise, dass sie kaum zu hören war. »Das stand auf dem Fenster. Magga hat es geschrieben. Sie ist draußen.«
     
    Matthias stand auf der Treppe und klopfte sich den Schnee von den Schuhen. »Das war bestimmt ein junger Kerl, so schnell, wie der gelaufen ist.« Er rang nach Atem. »Wenn ich bessere Schuhe angehabt hätte und wenn er nicht durch die Gärten gerannt und über die Zäune gesprungen wäre, hätte ich ihn bestimmt gekriegt.« Er stieß Atemwölkchen aus, die sich mit der frostigen Luft vermischten und auflösten. Berglind hatte ihnen das Fenster gezeigt, das Pési gemeint hatte, und als sie in der Küche die Buchstaben auf der beschlagenen Terrassentür angestarrt hatten, hatte Matthias einen Mann gesehen und war ihm in den Pantoffeln des Hausherrn, die an der Tür standen, hinterhergerannt.
    »Du hättest bei deinen Joggingtouren besser mal eine Runde durch die Gärten gedreht.« Dóra reckte sich, um über seine Schulter zu spähen, aber Matthias war so lange weg gewesen, dass der Mann längst über alle Berge war. »Verdammt.«
    »Wer kann das gewesen sein? Hast du sein Gesicht gesehen?« Berglind stand mit ihrem Sohn auf dem Arm hinter Dóra, und Pési presste seinen kleinen Körper so fest an seine Mutter, dass sie kaum noch Luft bekam. Der Junge hatte den Vorfall nicht gut verkraftet. In seiner Vorstellung hätte auch das hässliche Trollweib Grýla in den Garten gekommen sein können, um ihn in einen Sack zu stecken, in die Berge zu verschleppen und aufzufressen.
    »Nein, aber er war dunkelhaarig. Ich habe ihn nur von hinten gesehen«, antwortete Dóra und drehte sich zu Berglind. »Ich glaube, es wäre am besten, die Polizei zu informieren. Das war bestimmt nur irgendein Herumtreiber, aber angesichts meines Falls, mit dem du irgendwie in Verbindung stehst, sollte man lieber vorsichtig sein. Falls dieser ungebetene Besuch was damit zu tun hat, ist es wirklich sicherer, die Sache der Polizei zu überlassen.« Während Matthias’ Hürdenlauf durch halb Mosfellsbær hatte sich Dóra weiter mit Berglind unterhalten, die die ganze Zeit wie Espenlaub gezittert hatte. Doch was Dóra auch gefragt hatte, sie fand einfach keine Verbindung zu Jakobs Fall. Nein, Berglind hatte nicht direkt für Einvarður gearbeitet; nein, sie war nicht in seine Angelegenheiten verwickelt, weder beruflich noch privat; nein, sie hatte nichts mit dem Brand zu tun. Allerdings war Einvarður der Einzige im Ministerium gewesen, der Verständnis für den Spuk aufgebracht und sich dafür eingesetzt hatte, dass Berglind

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