Feuernacht
viel Glück. Dann sah sie ihm nach, wie er das Büro verließ, und überlegte, ob es eines der letzten Male war.
Um sich abzulenken, rief Dóra noch mal die Facebook-Seite auf. Etwas an Lenas Bericht über ihren nächtlichen Besuch im Heim irritierte sie, aber sie konnte nicht genau festmachen, was. Hoffentlich war das Foto von Lena noch da, das würde ihr vielleicht auf die Sprünge helfen, außerdem wollte sie sich noch mal das Bild von Bjarki Emil anschauen. Wie sich herausstellte, waren beide Fotos nicht ganz unschuldig an ihrer Irritation.
»Und? Sie kannten sich also doch?« Matthias fuhr langsam und gewissenhaft auf der rechten Spur, obwohl ihnen in dem menschenleeren Viertel bestimmt kein Auto entgegenkommen würde.
»Ich weiß nicht, ob man das sicher sagen kann, aber sie waren zumindest in derselben Nacht, wahrscheinlich zur selben Zeit, im Heim.« Dóra machte ihn auf eine Schneeverwehung in dem Kreisverkehr aufmerksam, auf den sie gerade zufuhren, und sprach dann weiter. »Lena hat doch gesagt, sie wäre mit ihrer Freundin und einem Freund, der gefahren ist, im Heim gewesen. Dieser Freund war zusammen mit Friðleifur und Margeir auf dem Foto, auf dem Lena im Hintergrund zu sehen ist, aber ich wüsste gerne, wer das Bild eigentlich gemacht hat. Wohl kaum Lenas stockbesoffene Freundin, falls es stimmt, dass das Foto geknipst wurde, als die gerade an der Sauerstoffflasche hing. Es muss also noch jemand dort gewesen sein, und ich glaube, es war dieser Bjarki Emil.«
»Nur weil Friðleifur und Margeir dieselben Klamotten anhaben wie auf dem Foto mit Bjarki Emil?« Matthias kurvte vorsichtig um die Schneewehe herum. »Das kann doch auch Zufall sein.«
»Dass beide Nachtwächter genau dieselben Klamotten anhaben? Haargenau dieselben? Sogar Margeirs Hemd steckt an genau derselben Stelle im Gürtel. Nein, ich glaube, Lena und Bjarki haben sich entweder zufällig im Heim getroffen oder sind zusammen hingefahren, was sehr wahrscheinlich ist. Ich habe nämlich rausgefunden, dass sie beide an der Uni eingeschrieben sind, im selben Fach und im selben Semester. Ziemlich viele Zufälle, finde ich. Sie hätte ihn erkennen müssen, als wir ihr das Foto von ihm gezeigt haben. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, aber es verspricht nichts Gutes.«
»Allerdings.« Matthias bog in die Einfahrt zum Heim. Vor der Brandruine stand ein einsames Auto. »Wer ist das denn?« Matthias hielt sofort an. »Sollen wir bis zum Heim fahren, oder willst du die Polizei anrufen? Wir können auch später noch mal wiederkommen, um abzuchecken, ob Lísas Bett von der Tür aus zu sehen war.«
»Nein, lass uns das jetzt machen.« Dóra kannte den Wagen nicht. Niemand, den sie bisher bei dem Fall getroffen hatte, fuhr so eine verbeulte alte Schrottkarre.
Matthias fuhr im Schneckentempo mit ausgeschalteten Scheinwerfern weiter. Vielleicht hatte jemand den Wagen schon vor längerer Zeit dort abgestellt, wobei die schneefreie Windschutzscheibe auf das Gegenteil schließen ließ. »Ob jemand vom Regionalbüro einen Kontrollgang macht?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Fahr noch ein bisschen weiter, aber nicht zu nah ran, damit uns keiner sieht. Wir sollten lieber leise sein.«
Matthias parkte den Wagen ein Stück vom Haus entfernt, damit der knirschende Schnee unter den Rädern nicht zu hören war. Vorsichtig schlossen sie die Türen, stiegen so leise wie möglich aus und gingen auf die Brandruine zu. Es war unglaublich still, sie hatten den Wind im Rücken, und ihre Schritte wurden nicht vom Verkehrslärm aus der anderen Richtung verschluckt.
Als sie sich endlich an die Holzplatte vor dem Eingang herangetastet hatten, schlug Dóras Herz bis zum Hals – das Schleichen machte sie ganz nervös, und die Spannung stieg mit jedem Schritt. Matthias zeigte schweigend auf die Fußspuren, die von dem verlassenen Auto am Haus entlangführten und vor der Tür endeten. Hoffentlich stand der Fahrer nicht mit einem Knüppel dahinter. Wenn das die Person war, die den Brand gelegt hatte, hatte sie schon Menschen umgebracht und machte sich bestimmt nichts aus zwei Leichen mehr oder weniger. Das Strafmaß würde sich nicht groß ändern. Es gab kaum etwas Schlimmeres, als mit einem Menschen aneinanderzugeraten, der nichts mehr zu verlieren hatte, und Dóra bereute es plötzlich, Matthias Vorschlag umzukehren, einfach ignoriert zu haben.
Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr so leise, dass es kaum zu verstehen war, ins Ohr: »Warte hier, wir
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