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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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kann man ja nicht richtig einschlafen. Vielleicht wollte sie nur diesen Lärm loswerden.«
    Nachdem sie die Karten wieder zurück an ihren Platz gelegt hatten, verließen die beiden Frauen das Zimmer. Svava drehte sich in der Tür noch einmal um und betrachtete die blassen Wangen und das leblose Haar der jungen Frau.
    Heiß. Feuer.
Was hatte sie damit gemeint?

5 . KAPITEL
    DONNERSTAG ,
7 .  JANUAR 2010
    Das Behindertenheim stand am Ende des Wohngebiets, falls man es überhaupt Wohngebiet nennen konnte. Asphaltierte Straßen führten zu leeren Grundstücken, die darauf warteten, dass Häuser auf ihnen gebaut wurden. Für einen Hausbau musste man entweder viel Bargeld oder einen günstigen Kredit haben, und beides war derzeit nicht im Angebot. Es wirkte so, als seien entvölkerte Wolkenstädte vom Himmel gefallen und dort am Stadtrand gelandet, als Mahnmal daran, dass die Isländer beim nächsten Mal vorsichtiger sein sollten. Die Kreisel, die den Verkehr regeln sollten, behinderten die wenigen Fahrzeuge, die sich in diese tote Gegend verirrten. Dóra starrte aus dem Fenster, während Matthias genauso orientierungslos wie sie am Steuer saß. Nach einer Kurve tauchte am Ende einer Sackgasse ein einsames Haus auf und verstärkte das unheimliche Gefühl noch.
    »Ob da die Leute wohnen, die den Brand bemerkt haben?« Matthias nickte mit dem Kopf zu dem Haus, das wieder aus ihrem Blickfeld verschwand, als sie den Kreisverkehr verließen. Dóra hatte ihm ausführlich von dem Fall erzählt und ihn gebeten, sie auf einer Besichtigungsfahrt zu begleiten. Es war angenehmer, ihn dabeizuhaben, denn sie kannte sich in dieser Gegend überhaupt nicht aus, außerdem war es dunkel und schneite leicht. So konnte sich Dóra darauf konzentrieren, das abgebrannte Behindertenheim zu finden, ohne fahren zu müssen – und es war natürlich netter, Gesellschaft zu haben.
    »Wahrscheinlich«, antwortete Dóra. »Ich weiß den Straßennamen nicht mehr, aber es gibt ja nicht viele Häuser.«
    »Willst du bei denen klingeln?« Seiner Stimme nach zu urteilen, hoffte er inständig, dass sie es nicht tun würde.
    »Nein, ihre Aussagen waren ganz eindeutig. Sie haben niemanden gesehen und nichts gehört, sind einfach ins Bett gegangen und vom Brandgeruch aufgewacht, als es schon zu spät war.« Dóra kniff die Augen zusammen, um das Schild vor ihnen lesen zu können. »Ich glaube, wir müssen jetzt abbiegen.«
    Matthias wandte seinen Blick kurz von der Straße ab und grinste sie an. »Was du nicht sagst! Wenn wir hier nicht abbiegen, landen wir auf der Wiese.«
    »Man kann ja nie wissen«, entgegnete Dóra, »der Karte nach müssten wir gleich da sein. Wir fahren diese Straße bis zum Ende durch, und da sollte dann ein kurzer Zufahrtsweg nach links zum Heim führen.«
    »Falls es überhaupt noch steht. Vielleicht ist es abgerissen worden. Deinen Beschreibungen nach wird es kaum möglich gewesen sein, es zu renovieren.«
    Aber das Haus war weder abgerissen noch renoviert worden. Eine große Betonruine stand an der Stelle, die auf der Karte markiert war, am Ende eines Zufahrtswegs, der mehr einer Einfahrt glich und wahrscheinlich nur für dieses eine Haus bestimmt gewesen war. Das große Grundstück war von einem niedrigen Zaun eingefasst, und ein breites Tor bewegte sich leicht im Wind, so als wolle es sie in die Einsamkeit locken. »Ja, da ist es.« Matthias fuhr langsam zum Eingang, hielt an und warf Dóra einen Blick zu. »Reicht es dir, es von hier aus zu sehen, oder willst außen herumlaufen?«
    Dóra hatte ihre Jacke schon bis zum Hals zugezogen, um sich vor der Kälte zu schützen. »Klar steigen wir aus. Hoffentlich kommen wir auch rein.« Sie stieg schnell aus, um Matthias’ Einwände nicht hören zu müssen. Als sie die Wagentür hinter sich zuwarf, spürte sie zweierlei: eine erfrischende Kälte, die unangenehm wurde, sobald Wind aufkam, und einen vagen Brandgeruch, obwohl die Katastrophe schon ziemlich lange her war. Der Geruch war zwar nur schwach, brannte aber dennoch in der Nase, als Dóra tief einatmete, um sicherzugehen, dass es keine Einbildung war. Sie schob ihr Kinn tief in den hochgeklappten Kragen ihres Anoraks und zog ihn dann bis zu den Augen hoch. Auch Matthias rümpfte beim Aussteigen die Nase, schüttelte sich aber nur leicht. Er war nicht der Typ, der sich die Nase zuhielt, aber Dóra kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er es am liebsten getan hätte.
    Sie wanderten um das Haus herum und sahen sich die Schäden an.

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