Feuernacht
Einvarður und Fanndís. Matthias parkte neben einer ziemlich neuen Familienkutsche, die darauf schließen ließ, dass ihr Besitzer nicht in Geld schwamm oder zumindest nicht den Anschein erwecken wollte.
Auf einem Kupferschild unter der Türklingel standen die Namen sämtlicher Familienmitglieder, auch Tryggvis. Matthias hob bei dem Anblick die Brauen, sagte aber nichts. Die einzigen Kinder, die er kannte, waren Dóras Tochter und Enkel, und er brachte nur geringes Verständnis für elterliche Verhaltensweisen auf. Kurz nachdem Matthias geklingelt hatte, öffnete Fanndís ihnen die Tür. Sie war genauso attraktiv wie auf dem Foto im Büro ihres Mannes, nur etwas älter. Winzige Lachfältchen zogen sich von den Augenwinkeln Richtung Schläfen, und zwei senkrechte Falten hatten sich rechts und links entlang der Mundwinkel eingegraben. Ansonsten war ihr Gesicht glatt und frisch. Sie reichte ihnen ihre schlanke, beringte Hand und lächelte freundlich, als sie sich vorstellten. Dóra hätte als Hausfrau eher andere Klamotten getragen – Fanndís sah so aus, als wolle sie sich gleich mit ein paar Freundinnen zum Lunch treffen. Aber vielleicht hatte sie sich auch speziell für die Gäste zurechtgemacht, und Dóra bedauerte es, sich am Morgen wettergemäß gekleidet zu haben.
Sie folgten der Frau durch einen hübschen Flur in ein großes, geschmackvolles Wohnzimmer, das äußerst einladend war. An den Wänden hingen nur wenige, dafür aber umso beeindruckendere Gemälde, und auf Beistelltischen und Regalen standen Familienfotos. Auf allen Fotos von der elegant gekleideten Familie trug die Tochter des Hauses ein langes Kleid, was Dóra merkwürdig vorkam. »Eure Tochter wirkt sehr selbstbewusst«, sagte sie und deutete auf das gleiche Foto, das Einvarður ihnen in seinem Büro gezeigt hatte. »Man hat ja den Eindruck, dass sich die meisten jungen Leute gleich anziehen, aber sie scheint da eine Ausnahme zu sein.«
Fanndís blieb stehen und betrachtete das Foto. Dabei errötete sie leicht und knetete ihr Ohr. »Ja, Lena hat sehr viel Geschmack und zieht sich gerne schick an.« Sie lächelte betrübt und wandte ihren Blick von dem Bild ab. »Das war das letzte Mal, als wir Tryggvi lebendig gesehen haben. Mein Mann und ich waren auf dem Weg nach Selfoss, zur Betriebsfeier des Ministeriums, und Lena durfte ihre Freunde zu einer Party einladen. Ich kann euch gar nicht beschreiben, wie ich mich auf dem Nachhauseweg gefühlt habe, als ich bereits wusste, was passiert war. Ich nehme nie wieder an dieser Feier teil, die Erinnerung wäre zu schmerzhaft.« Sie räusperte sich und ließ ihr Ohr los, das schon rot angelaufen war. »Aber genug davon, der Kaffee ist gleich fertig.« Fanndís setzte sich erst, nachdem Dóra und Matthias Platz genommen hatten. »Habt ihr Hunger? Ich kann schnell was zurechtmachen, falls ihr noch nichts gegessen habt.«
»Nein danke.« Dóra war davon überzeugt, dass sie etwas Köstliches versäumte, aber der Speck lag ihr wie ein Stein im Magen, und sie würde garantiert nichts mehr runterkriegen. Matthias lehnte ebenfalls dankend ab, obwohl er durchaus ein paar Kilos mehr vertragen konnte.
Sie plauderten kurz über das Wetter und die wirtschaftliche Lage, aber Fanndís’ Bemerkungen wirkten wie auswendig gelernt und darauf ausgerichtet, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Es war bewundernswert, wie perfekt ihr das gelang, und Dóra war ihrer tatsächlichen Meinung noch keinen Schritt näher gekommen, als Fanndís das Gespräch auf das Anliegen ihrer Gäste lenkte. »Mein Mann hat mir gesagt, dass ihr den Brand in dem Behindertenheim untersucht. Ich weiß ja nicht, wie ich euch helfen kann, aber ich werde mein Bestes tun.«
»Vielen Dank. Dein Mann war sehr hilfsbereit, und ich möchte dir erst mal danken, dass du zu diesem Gespräch bereit bist. Ich weiß, dass die Erinnerung an dieses Ereignis schmerzhaft ist, und wir möchten dir keine Unannehmlichkeiten bereiten. Wir wollen nur deine Meinung über die Situation im Heim hören. Vielleicht weißt du etwas, das in den Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen, nicht erwähnt wird.«
Bevor Fanndís antwortete, bildeten sich um ihren Mund kleine Fältchen, ansonsten war ihr nicht anzumerken, dass ihr das Thema missfiel. Aber es ging ihr wohl eindeutig gegen den Strich, mit Fremden über ihre Privatangelegenheiten zu sprechen. »Ich weiß nicht, was ich dazu noch erzählen soll. Ich war oft dort und kann nur sagen, dass die Mitarbeiter sehr engagiert
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