Feuernacht
auf seinem Stuhl herum. Nicht mehr lange, und er würde höflich der Tür verwiesen. In zehn Minuten begann die Sendung des Radiochefs. »Ich meine, nein. Bisher war ich ja auch zufrieden, aber jetzt gibt es einen anderen Grund.« Sein Mund war plötzlich voll dickflüssigem Speichel, und er hatte das Gefühl, sein Schlucken im Raum widerhallen zu hören. »Da ruft immer so ein Arschloch an, und ich fühle mich einfach scheiße, wenn ich ständig mit einem Anruf von diesem Typen rechnen muss. Ich glaube nicht, dass er tagsüber anrufen würde.«
Sein Gegenüber lachte laut und herzlich. »Da bist du aber optimistisch! Hast du denn gar nichts dazugelernt? Arschlöcher rufen an, sobald die Leitung frei ist, egal zu welcher Tageszeit, vollkommen gleichgültig. Das ist ein Teil unseres Jobs, die meisten Anrufer sind okay, aber es gibt eben immer welche, die … ich weiß nicht, wie ich das sagen soll … anders sind. Nimm das doch nicht so persönlich.«
»Das ist keiner mit einer fixen Idee oder so, die Anrufe sind irgendwie unheimlich, auch wenn er gar nicht viel sagt.«
»Antworte nicht. Ganz einfach. Oder leg einen Song auf, lies was aus der Zeitung vor, erzähl deinen Hörern was Witziges aus dem Internet. Oder schalte einfach die Werbung ein.«
»Er ruft von einer unterdrückten Nummer aus an, und da ist er nicht der Einzige. Ich kann nicht erkennen, ob er dran ist, und wenn ich ihn einfach ignoriere, solange er noch in der Leitung ist, kommt kein anderer mehr durch. Es wäre viel besser, die Leute vorher auszusieben.« Margeir wusste, dass es seit langem zur Diskussion stand, ein Gerät dafür anzuschaffen.
»Hm, tja.« Der Chef ließ die Hände sinken. Investitionen waren nicht gern gesehen, und schon seit September fehlte im Studio eine Kopfhörerabdeckung. »Darüber habe ich natürlich schon nachgedacht, aber beim momentanen Kurs der Krone sollte man lieber erst mal abwarten, vielleicht ein paar Monate. Das verstehst du doch, deine Finanzen sind ja bestimmt auch nicht rosig.« Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, und der Chef ruderte zurück. »Aber warum setzt dir das so zu? Wir bekommen alle merkwürdige Anrufe, die letztendlich überhaupt nichts zu bedeuten haben. Das sind entweder verkappte Komiker oder krankhaft schüchterne Schwachköpfe, die sich nicht trauen, was zu sagen, und nur in den Hörer atmen. Es gibt wirklich überhaupt keinen Grund, sich davon verrückt machen zu lassen.«
»Diese Anrufe sind anders. Das ist kein Komiker und kein armes Schwein.« Margeir versuchte, die Anrufe zu beschreiben, ohne sie wortgenau wiederzugeben. »Dieser Typ scheint mich zu kennen. Er sagt Sachen, von denen er weiß, dass sie mich aus dem Konzept bringen.«
Das Gespräch wurde langsam zu persönlich, und der Radiochef war nicht gerade für seine Sensibilität bekannt. »Aber … du kannst dich doch von so was nicht aus dem Konzept bringen lassen! Das ist doch nur ein Feigling, der sich daran aufgeilt, dich fertigzumachen. Lach ihn einfach aus und leg auf!« Er lehnte sich zurück, zufrieden mit seinem Vorschlag. »Mehr ist das doch nicht, da muss man doch nicht so einen Wirbel drum machen.« Offenbar hatte er langsam genug von dem Thema. »Das kriegst du doch hin, oder?« Er unterließ es hinzuzufügen:
Oder soll ich mir jemand anderen suchen?
Aber das war auch nicht notwendig, Margeir wusste genau, was Sache war.
»Äh, doch, doch, okay.« Margeirs Worte klangen hohl, aber wenn er seinem Chef die ganze Geschichte erzählen würde, konnte er gleich kündigen. »Aber denk an mich, falls sich doch noch was ändert, bis dahin komme ich schon klar.« Margeir stand auf und bemühte sich, erhobenen Hauptes zur Tür zu gehen. Als er die Tür hinter sich zuzog, hätte er am liebsten kehrtgemacht und sich vor seinem Chef auf die Knie geworfen. Aber er zögerte nur kurz und ließ die Tür dann ins Schloss fallen, überzeugt davon, dass es nichts bringen würde, sich derart zu erniedrigen, aber auch davon, dass er keineswegs klarkommen würde. Natürlich nicht. Aber er hatte noch einen winzigen Hoffnungsschimmer, dass das alles nicht auf das hinauslief, wovor er am meisten Angst hatte.
Der Morgen war anstrengend gewesen, und die Stimmung in dem kleinen Schwesternzimmer befand sich auf dem Nullpunkt. Alle waren enttäuscht und verärgert, nachdem sie von den neuesten Sparmaßnahmen des Krankenhauses gehört hatten, die noch mehr Stress und Lohnkürzungen bedeuteten. Eine tödliche Mischung. »Wie kommt
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