Feuerprinz
Klauen streiften seine Hand und rissen eine tiefe Fleischwunde in seine Haut. Zum ersten Mal bereute Degan es, dass er außer einem Lederschurz keinerlei Kleidung trug, die ihn zumindest etwas vor den scharfen Greifenklauen geschützt hätte.
Suragons blaue Augen brannten vor Ehrgeiz. Er wollte Degan unbedingt besiegen. Vielleicht würde sein Ehrgeiz ihn Fehler machen lassen. Greifenschwingen besaßen jeweils eine Spannweite von mehr als drei Armeslängen, und als Degan einen Ausfallschritt nach links machte, stürzte sich der Greifenführer in blindem Eifer auf ihn und begrub Degan unter sich im Sand.
Er spürte Suragons Atem sein Gesicht streifen, die Kraft seines Körpers und seiner Arme drückte ihn nieder und machte ihn bewegungslos. Degan tastete mit den Händen den Sand ab, in der verzweifelten Hoffnung, einen Stein zu finden, den er als Waffegegen die übermächtigen Kräfte des Greifen einsetzen konnte. Doch das Einzige, was er zwischen den Fingern spürte, war feinster Sand. Suragons Klaue berührte schon fast sein Gesicht, als Degan im Sand etwas Längliches ertastete. Suragon hatte seine Peitsche verloren!
Blinder Ehrgeiz … meine Gebete wurden erhört!
Er zögerte nicht und schlang mit dem noch freien Arm die Silberketten um Suragons Hals. Dann befreite er in einem Gewaltakt seinen zweiten Arm und zog mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, die Schlinge um Suragons Hals zu.
Zuerst versuchte Suragon, seine gefährlich gekrümmte Klaue über Degans Hals zu ziehen. Das Gesicht des Greifenführers lief bereits blau an, und die Adern seiner Stirn traten hervor. Doch Suragon gab nicht auf. Er riss den Mund auf, um zu atmen – und bekam keine Luft. Unkontrolliert begann er, mit seinen Schwingen zu schlagen.
Degan gewann endgültig die Oberhand und warf Suragon auf den Rücken.
Du könntest ihn vom Fluch erlösen und ihm seine Gestalt zurückgeben!
, mahnte sein menschliches Gewissen. Doch dieses Mal gab sein Greifenerbe nicht nach. Suragon war anders als die anderen … von einem bösen Willen gesteuert,
wie Xiria …
Degan zog die Silberkette noch fester um Suragons Hals, bis die Augen endlich starr wurden und die letzte Gegenwehr erstarb.
Erst da rollte sich Degan von seinem Opfer herunter und untersuchte seine zerfetzte Hand. Die Silberschnüre hatten sich in die offene Wunde gebohrt, und ein Schjackzahn steckte darin. Vorsichtig löste er die Ketten und schleuderte die Peitsche von sich. Die Wunde schmerzte, aber es war noch nicht vorbei, und es war noch nicht entschieden, wer diesen Kampf gewinnen würde.
Jevana kniete vor dem Bodengitter und rief immer wieder Lins Namen. Dass Lin ihr nicht antwortete, war kein gutes Zeichen; sieversuchte es lauter, obwohl sie fürchtete, damit einen Greif oder einen Schjack auf sich aufmerksam zu machen. Jevana war sich nicht sicher, ob Salas Tränen sie gegen jede Unbill schützen konnten. Bisher hatte Salas Schutz sie nicht verlassen, doch nach dem Grauen, das sie mitangesehen hatte, meinte sie Salas Macht schwinden zu spüren. Warum antwortete Lin nicht?
Unentschlossen überlegte Jevana, was sie nun tun sollte. Degan würde ihr nicht helfen können, er musste sich gegen Suragon zur Wehr setzen. Sie dachte an die anderen Priesterinnen. Ob sie ein Versteck gefunden hatten und dem Opfertod entkommen waren? Sie würde die Mädchen suchen, doch zuerst musste sie wissen, ob es Lin gutging. »Lin, bitte, sag doch etwas!«, flehte sie noch lauter als zuvor.
Statt einer Antwort krallte sich eine Hand grob in ihr Haar und zerrte sie auf die Beine. Jevana schrie und schlug um sich, um dann schutzsuchend Salas Tränen zu berühren. Der Schreck ließ sie erstarren. Die Tränen der Göttin waren fort! Jevana hatte sie verloren – vielleicht, als Degan von Suragon angegriffen worden und sie hinter den Tempel geflüchtet war. Nun war sie ebenso schutzlos wie all die anderen Frauen.
Der Mann, der sie gepackt hatte, lachte, als er das Fehlen ihres mächtigen Schutzzaubers bemerkte. »Die zweite Priesterin … und dazu noch schutzlos. Hat deine Göttin dich verlassen?« Er hielt ihr die dreischneidige Klinge, den Opferdolch, nahe vor das Gesicht. »Du hast Elven und mir sehr viel Ärger bereitet, und dafür wirst du nun den Opferkreis mit deinem Blut weihen.«
Jevana schrie um Hilfe, als der Blutpriester sie mit sich zog. Degan war nirgendwo zu sehen – nur umherirrende und fliehende Menschen oder verbittert kämpfende Männer. Jevana erkannte, dass niemand ihr
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