Feuerprinz
in der Nacht von Braams Verschwinden in den Tempel hatte gehen sehen. Kurz darauf ertastete sie auch das Tuch, mit dem die Trage – oder das, was darauf lag – verhüllt gewesen war. Sie war erstarrt vor Angst.
Bum Bum … Bum Bum.
Das Geräusch war zum Greifen nah! Eine schreckliche Ahnung überkam sie. Vorsichtig tastete sie mit dem Dolch die Liegefläche der Trage ab, bis die Klinge gegen etwas stieß, das sich zuckend bewegte. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück, und einen Augenblick lang wollte sie einfach aufspringen und weglaufen. Dann jedoch packte sie das Tuch mit dem zuckenden Ding und stolperte durch die Dunkelheit zurück zum Eingang des Tempels.
Dort angekommen ließ Jevana das seltsame Ding fallen und schob mit zitternden Händen das Tuch zur Seite. Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Vor ihr lag ein entstelltes menschliches Herz … ein schwarzes Gebilde voller Narben und Knoten … und es schlug ohne einen dazugehörigen Körper! Es war … verdorben! Jevana hielt sich die Hand vor den Mund, denn ein Geruch von Fäulnis und Verwesung ging von ihm aus. Sie musste es vernichten! Jevana hob den Dolch und stieß ihn tief in den zuckenden Muskel. Als sie ihn wieder heraus zog, quoll schwarzes Blutdaraus hervor. Sie hielt sich den Ärmel ihres Priesterinnengewandes vor die Nase.
Das schwarze Blut des dunklen Gottes!
Dies war also die böse Essenz, mit der Elven ganz Engil in seinen Bann geschlagen hatte; und solange dieses Herz in Engil schlug, würden seine Diener weiter Menschen mit dem schwarzen Blut vergiften.
Noch immer pulsierte das böse Geschwür und pumpte Blut. Jevana wurde wütend. Entschlossen hob sie noch einmal den Dolch und stach auf das Herz ein … es wollte nicht aufhören zu schlagen! »Stirb!«, schrie sie das Herz an, als würde der Gott sie hören können. Klebrig schwarzes Blut spritzte aus den eiterschwärenden Adern. »Steh endlich still«, schrie sie halb wahnsinnig vor Angst, und endlich wurde sein Schlag unregelmäßig, bis es schließlich ganz zu schlagen aufhörte. Jevana ließ den Dolch fallen und begann zu schluchzen.
Dann bemerkte sie, dass einige Menschen, Männer und Frauen … ja sogar Kinder vor den Stufen des Tempels zusammengekommen waren und das schwarze Herz anstarrten: Sie hob den Kopf und konnte zuerst nicht glauben, was sie hörte – Stille! Es war ganz ruhig geworden – keine Schwerter, die Schreie der Kämpfenden waren verstummt. Der dunkle Gott war fort!
Mit zitternder Stimme wandte Jevana sich an die Umstehenden, die auf eine Erklärung für das, was sie gerade gesehen hatten, warteten. »Ich habe das Herz des falschen Königs Elven mit dem Opferdolch durchstoßen und ihn damit endgültig aus Engil vertrieben. Es ist alles vorbei.«
Die Männer sahen sie an, als wären sie aus einem bösen Traum erwacht, starrten auf die blutigen Schwerter in ihren Händen und ließen sie fallen, als wären sie auf einmal glühend heiß geworden. Jevana legte ihren Kopf in den Nacken und sah hinauf in den Himmel.
Dort sammelten sich Elvens verbliebene Greife, um zu fliehen. Doch Degans Greifenheer setzte ihnen nach – die Schlacht am Himmel, das wusste Jevana, war noch nicht vorüber. Doch sie würde nicht in Engil beendet werden!
Nach und nach erwachte Engil wie aus einem bösen Traum, und auch die Frauen kamen aus ihren Verstecken hervor. »Es ist vorbei … Elven ist fort!«, riefen sie sich immer wieder gegenseitig zu und fielen sich in die Arme.
Jevana lief die Stufen des Tempels hinunter, weil sie Salas Priesterinnen aus einem der Getreidesilos klettern sah. Ihre Gewänder waren schmutzig, ihr Haar war wirr, aber keine von ihnen war verletzt. Sie fielen Jevana weinend in die Arme, während sie ihr versicherten, dass es ihnen gutginge. Es war vorbei … Sala sei Dank!
Degan sah Elvens Greifen nach, die so plötzlich und unerwartet die Flucht ergriffen. Was hatte das zu bedeuten? Sein Greifenheer nahm die Verfolgung auf, so dass auch Degan endlich auf die Beine kam. Dem leblosen Körper Suragons im Sand schenkte er keine Beachtung mehr, ebenso wenig der Silberpeitsche, deren Narben er für den Rest seines Lebens auf dem Körper tragen würde. Sie würden schon dafür sorgen, dass er Suragon nicht vergaß! Dann fiel ihm Jevana wieder ein, und er sah sich nach ihr um.
Ein Funkeln im Sand nur ein paar Schritte neben sich erweckte seine Aufmerksamkeit. Er bückte sich und hielt kurz darauf Salas Tränen in seiner Hand. Die zweite Priesterin musste
Weitere Kostenlose Bücher