Feuerprinz
besorgten von Tojar und Ilana, die verängstigten Gesichter von Jevana und den Priesterinnen Salas. Zum Schluss musterte sie Elven. Allein in seinen Zügen war nicht zu lesen, was er dachte oder fühlte.
Aufgeregtes Rufen holte sie aus ihren Gedanken. Lin sah über die Schulter und entdeckte Braam und seinen Vater, die wild gestikulierend mit den Wachtposten stritten. Schließlich gab Tojar den Männern die Erlaubnis, Braam durchzulassen.
Lin sah sein verschwitztes Gesicht, seine zu einem verärgerten Strich zusammengepressten Lippen, seine blutunterlaufenen Augen. Braam musste zu Salas Fest ordentlich Wein getrunken haben. Trotzdem wirkte er entschlossen, als er auf Tojar und Ilana zugestapft kam.
»Eines unserer Falbrinder ist gestohlen worden, und unser Nachbar vermisst seine Tochter Niwa … sie war für die Feuer verantwortlich und ist gestern Nacht nicht zurückgekehrt.«
… meide das Feuer, ruf es nicht herbei …
, dröhnte die Verkündung einmal mehr in Lins Kopf. Warum hatte sie nur nichts gesagt?Warum hatte sie die Zeichen einfach für sich behalten? Das arme Mädchen … was, wenn die Diener des Gottes sie als Opfer fortgeschleppt hatten?
Ilana und Tojar traten zur Seite und gaben den Blick auf den Kadaver des Falbrindes frei. »Dein Rind haben wir gefunden, Braam. Es scheint, dass jemand ein Blutopfer durchgeführt hat … im alten Opferkreis.«
Die Erwähnung des Blutopfers schien ihn kaum zu verstören, aber Braam betrachtete das tote Tier mit einer Mischung aus Ekel und Wut. »Ich sehe kein Blut«, erklärte er und sah dann fragend von einem zum anderen. Es war klar, dass er Ersatz für das Rind forderte. »Und was nun?«
»Ich fürchte, wir müssen zuallererst das Mädchen suchen. Das sind wir seiner Sippe schuldig«, entgegnete Tojar müde.
Elven trat vor. Der Klang seiner Stimme war fest und selbstsicher. »Das könnte ich tun … Ich kenne mich in den Wäldern von Isnal besser aus als jeder andere. Ich verstehe mich auf Spurensuche, den Umgang mit Waffen und natürlich die Jagd.«
Tojar überlegte nicht lange und nickte ihm dankbar zu. Ilana schenkte ihm ein Lächeln voller Wärme. Es war ein Stich ins Herz für Lin, zu sehen, wie sehr ihre Eltern auf Elven, den sie kaum kannten, angewiesen waren. Doch wen hätten sie sonst schicken sollen? Tojar war zu alt, und Lin hatte keinen Gefährten. Früher hätten sie Degan geschickt – den Prinzen von Engil …
Jetzt sind sie auf die Hilfe eines Fremden angewiesen.
Braam schluckte seinen Ärger hinunter. Es war ihm anzusehen, dass er den Suchtrupp gerne selbst angeführt hätte. Lin begriff, dass ihre Eltern sich in Degan einen Mann wie Elven erhofft hatten – ernst und pflichtbewusst –, und ihr wurde ebenso klar, dass Degan niemals ihren hohen Ansprüchen hätte genügen können … genauso wenig, wie sie selbst den Ansprüchen ihrer Eltern gerechtwurde. Mit einem Mal empfand sie Elven gegenüber Dankbarkeit, da er seine Hilfe anbot und den verängstigten Menschen mit seiner eigenen Selbstsicherheit Vertrauen einflößte.
In Anbetracht der Ereignisse konnte Lin niemandem von ihrer Schreckensvision oder der Verkündung der Waldfrau erzählen. Schlimm genug, dass sie Zeichen des dunklen Gottes empfangen hatte – dass nicht Sala ihr eine Vision geschickt hatte, sondern Muruk!
Sie hatte genug davon, die glücklose und unheilbringende Lin zu sein, die man mied, weil man fürchtete, dass ihre Glücklosigkeit eine ansteckende Seuche oder ein Fluch war, den sie an jene weitergab, die sich um sie scharten. Leider war es die Wahrheit. Sie brachte Unheil mit sich, wohin sie auch ging.
Im Auge des Bösen
Braam hieb mit seinem Stock auf das Dornengestrüpp und die verkeilten Zweige ein, durch die er sich mit seinen Leidensgenossen bereits seit einem ganzen Tag schlug. Ein stummer Fluch lag auf seinen Lippen. Seine Beine waren bis durch das Leder seiner Kleider zerkratzt, seine Hände von tiefen Schnitten überzogen. Er hatte Hunger und musste pissen – Milliarden von Insekten hatten jede freie Stelle seiner Haut so zerstochen, dass er glaubte, keinen Tropfen Blut mehr im Körper zu haben. Der klebrige Schweiß zog Stechmücken an wie ein Haufen Falbrindscheiße die Fliegen. Braam kratzte sich im Laufen und schlug nach den Bremsen, von denen es immer mehr zu geben schien, je weiter sie in den verfluchten Isnalwald hineinliefen. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie bereits gelaufen waren – zu lange … so viel war klar. Die anderen Männer
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