Feuerprinz
sie, und das lange Haar umschwebte sie, während die Augen in allen Regenbogenfarben leuchteten und ständig die Farbe zu wechseln schienen. Sie war eine Lalufrau und strahlte im Sonnenlicht.
»Nona?«, rief sie der Gestalt über den See hinweg zu, während sie versuchte, die letzten Erdkrumen auszuspucken.
Wie eine Erscheinung schwebte Nona über den See, zu ihr herüber, ohne mit dem Wasser in Berührung zu kommen. Sie waren wunderschöne Geschöpfe, diese Geistwesen, und Nona war die Letzte von ihnen, weil Xiria die anderen vernichtet hatte. Nona war es gewesen, die ihr damals dazu geraten hatte, Degan zu suchen. Seit dieser Zeit schien Nona ihre Erdgebundenheit noch weiter aufgegeben zu haben.
»Dawon hat dich versorgt, weil ich kein erdgebundenes Wesen berühren kann. Wir mussten dir Erde auf die Zunge legen, damit ihr nicht euren Körper verlasst.«
»Ihr?«, fragte Lin irritiert.
»Die Göttin und du.«
Lin wurde wütend. »Das ist
mein
Körper. Ich habe Sala nicht eingeladen, und ich will, dass sie verschwindet!«
Nona fuhr mit ihrer durchscheinenden Hand über Lins Haar – eine Berührung, die sie als einen kühlen Hauch wahrnahm. Siefühlte sich schmutzig in Gegenwart eines so reinen Wesens, wie Nona es war.
»Die Kraft der Göttin hat dich das Gift der Waldfrauen überleben lassen. Sie hat dich beschützt – euch beide. Du wirst ihre Kraft noch brauchen – für Engil.«
Lin erinnerte sich ihres Grolls auf Nona und reckte das Kinn. »Und wo warst du, als meine Mutter starb? Warum bist du nicht gekommen, um uns vor Elven zu warnen?«
Entschuldigend hob Nona die Hände. »Weil ich es nicht wusste. Ich habe von Elven und deinem Geheimnis erst erfahren, als es zu spät war … und du aus Engil geflohen bist. Die Waldfrauen haben Muruks Rückkehr gespürt. Sie haben versucht, dich vor dem Blick ins Orakelfeuer zu warnen, durch das der Gott die Göttin finden würde.« Nona schüttelte den Kopf, wobei ihre Haare sie wie Wellen umschwebten. »Aber sie haben einen Fehler gemacht, indem sie dich und die Göttin töten wollten. Es ist ihnen nicht erlaubt, in das Schicksal der Menschen einzugreifen. Sie taten es in gutem Glauben, dass dies die einzige Rettung für Engil wäre. Doch ich glaube das nicht.«
»Meine Eltern könnten noch leben!«, presste Lin hervor und spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen. Endlich konnte sie trauern und wurde dabei von ihren Gefühlen überschwemmt. Sie war wütend auf Nona, und sie hasste die Waldfrauen. Doch noch viel mehr war sie verzweifelt und fühlte sich hilflos. Nona ließ sie eine Weile schluchzen, dann wischte Lin sich die Tränen ab und stand vorsichtig auf. Ihr Bein konnte sie noch nicht richtig bewegen. Doch es gelang ihr, ohne Hilfe zu laufen. Wieder sah sie sich um. »Wo bin ich hier?«
»Dies …«, antwortete Nona, »… ist die Quelle des Sandflusses in der Schwarzen Wüste Melasan. Der Ort, an den Degan und die von ihm befreiten Greife sich zurückgezogen haben. Die Oase beider Quelle des Sandflusses ist der einzige Ort in der Wüste, an dem ein erdgebundenes Geschöpf überleben kann, und der einzige Ort neben der Quelle von Isnal, wo die Bellockbäume wachsen.« Sie wies in einer fließenden Geste um sich. »Außerhalb dieser Oase gibt es kein Leben, nur die Asche der Gefallenen des Schwesternthrons.«
Lin sah sich mit Unbehagen um. Wie konnte Degan freiwillig hier leben? Hinter den Bäumen, die den schwarzen See umgaben, erstreckte sich tatsächlich nur eine endlose Weite von schwarzem Sand. »Ich war hier schon einmal«, fiel ihr ein. »In meiner ersten Vision … hier hat der dunkle Gott mich gefunden.«
»Ja, aber die Aschewüste ist nur ein Abbild seines Reiches voller Feuer und Qualen.« Nona sah sie an, als trüge sie die gesamte Weisheit der Lalufrauen in ihrem kindlichen Körper.
Lin zuckte die Schultern. »Aber was soll ich hier?«
Nona lächelte geheimnisvoll. »Dich erholen und zu Kräften kommen. Dawon wird dir etwas zu essen bringen und nach dir sehen. Ich kann nicht bleiben … Ich muss weiterziehen.« Sie wandte sich ab, und Lin streckte die Hand nach ihr aus. Natürlich glitt sie durch Nonas glitzernden Lichtkörper hindurch. »Du kannst nicht gehen. Elven will Salas Priesterinnen opfern.«
»Dann denk nach, wie du das verhindern kannst, Königin von Engil.«
Das war nicht gerecht! Verzweifelt rief Lin der Lalufrau hinterher: »Ich habe dieses Schicksal nicht gewollt, ich habe mir nicht gewünscht, meinen Körper mit
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