Feuerprinz
einer Göttin zu teilen und die Verantwortung für Elvens Taten zu tragen, weil
sie
nicht bei ihm bleiben wollte!«
Nona war im Begriff, sich in dunstige Nebelschwaden aufzulösen, doch noch einmal wandte sie sich um und sah Lin mit ihren Regenbogenaugen an. »Hier gibt es noch einen, der mit seinemSchicksal hadert.« Sie wies hinauf in die Kronen der Bellockbäume. »Vielleicht kannst du ja Degan zur Besinnung bringen. Sein Greifenheer wäre Elven gewachsen. Immerhin … sie sind Dawon und dir zur Hilfe gekommen und haben dich hierher gebracht.«
Lin folgte Nonas Fingerzeig hinauf in die Baumkronen mit den Augen. Sofort verspürte sie ein Kribbeln in ihrem Bauch. Degan war dort oben? So greifbar und doch unerreichbar für sie. Ein tiefer Schmerz zog ihr das Herz zusammen. Dann machte sich Verbitterung in ihr breit. »Wann hätten meine Worte jemals Gewicht für Degan gehabt?«
Als sie von Nona keine Antwort bekam, wandte Lin sich zu ihr um, um festzustellen, dass sie verschwunden war. »Komm zurück!«, rief sie überflüssigerweise.
Vorsichtig humpelte sie zum Stamm des nächsten Bellockbaumes, den zwanzig Männer mit ihren Armen nicht hätten umfassen können. Irgendwo dort oben war Degan. Aber sie hatte keine Möglichkeit, zu ihm zu gelangen, und er würde ganz sicher nicht zu ihr herunterkommen. Ihr Abschied in Dungun, das hatte Degan damals klargemacht, war endgültig gewesen. Er betrachtete die Menschen nicht mehr als seine Sippe.
Trotzdem hatte er sie und Dawon vor Elvens Greifen gerettet. Lin legte die Hand an das cremeblasse Holz des Baumriesen und schloss die Augen. Sie war noch immer zu erschöpft, um darüber nachzudenken, wie es nun weitergehen sollte.
Die Toten im Fluss
Es war schon dunkel, als Lin von einem Strahlen geweckt wurde, welches so stark war, dass sie durch ihre geschlossenen Augenlider davon geblendet wurde. Überrascht stellte sie fest, dass das Licht vom See zu kommen schien. Die Schmerzen in ihrer Hüfte waren verschwunden, doch sie fühlte sich steif und unbeweglich. Schwerfällig stand sie auf und ging hinunter zum Ufer. Ohne die sengende Sonne war es in der kleinen Oase angenehm kühl, und es ging ein lauer Wind. Für einen kurzen Moment genoss Lin die milde Nachtluft.
Das strahlende Licht, das sie geweckt hatte, kam vom Grund des Sees.
Salas Licht …
Lin ließ das hauchzarte Tuch, das ihren Körper bedeckte, zu Boden gleiten und tauchte einen Fuß in den See. Das Wasser war kühl, aber nicht kalt. Beherzt tat sie ein paar vorsichtige Schritte, bis sie bis zu den Oberschenkeln im Wasser stand. Es war herrlich! Sie fühlte sich leicht und frei wie lange nicht mehr. Über der Oase strahlten ein blasser Vollmond und Myriaden von Sternen. Doch ihr Funkeln war nichts im Vergleich zu dem intensiven Strahlen, das von der Mitte des Sees ausging. Lin tat ein paar Schwimmzüge, erfüllt von dem tiefen Verlangen, in dem gleißenden Licht ein Bad zu nehmen. Die Verlockung war größer als alles, was sie sich hätte vorstellen können. Sie wollte dieses Licht … Sie brauchte es …
Als sie die Mitte des Sees erreicht hatte, verschwand das unwirkliche Strahlen so schnell, wie es gekommen war. DerLichtzauber, der sie eingelullt hatte, verwandelte sich in etwas Düsteres und Fatales. Lin spürte die Gefahr und wusste, dass sie zum Ufer zurückkehren musste, doch sie konnte es nicht. Um sie herum war nur noch Dunkelheit. Sie konnte das Ufer nicht mehr erkennen und noch nicht einmal die Bellockbäume. Es war, als treibe sie in einem uferlosen Meer. Lin kam die dunkle Vergangenheit dieses Ortes wie eine stumme Mahnung in den Sinn. Die Schwarze Wüste war nicht immer totes Land gewesen – in uralten Zeiten hatte das Kriegervolk der Taluk hier gelebt, in riesigen Wäldern und auf fruchtbarer Erde. Bis Ragane, die halb menschliche Tochter der Lichtgöttin, ihre Schwester Tjama in den Wäldern von Mengal in einen Hinterhalt gelockt und sie getötet hatte. Weil die Taluk Tjama nicht beschützt hatten, waren sie von Sala bestraft und in das eisige Taligebirge verbannt worden; die Wälder von Mengal waren von Sala in die Schwarze Wüste Melasan verwandelt worden. Seit diesem Tag hatten in der Schwarzen Wüste die Schlachten des Schwesternthrones stattgefunden. Hier waren unzählige Menschen gestorben!
Lin schwamm mit kräftigen Zügen in die Richtung, in der sie das Ufer vermutete, doch alles, was sie sah, war tiefes schwarzes Wasser. Ihre Angst wurde noch größer. Warum hatte sie sich nur von
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