Feuerprinz
Erkenntnis langsam durch ihre Adern kriechen. Sie hatte wie alle anderen geglaubt, dass Elven mit den Frauen seinen männlichen Bedürfnissen nachging. Doch da schien mehr zu sein … viel mehr. »Ich will es wissen«, wagte sie deshalb zu flüstern.
Braam grinste beinahe dankbar, so als hätte er ihre Erlaubnis gebraucht, darüber zu sprechen. Seine Stimme zitterte. »Er saugt sieaus … genau wie die beiden Falbrinder, die ich ihm aus unseren Ställen gebracht habe. Ich wusste damals nicht, wofür er sie brauchte … Die Erste war die kleine Dienerin … die Stechmücke. Ihr Name war Vay.«
»Lins Leibdienerin?« Jevana erinnerte sich an das eifersüchtige Mädchen, das Elven geradezu angebetet hatte. Sie hatte Vay seit Lins Verschwinden nicht mehr gesehen.
Braam nickte. »Er hat ihr die Kehle aufgeschnitten und vor meinen Augen ihr Blut gesoffen … Er braucht immer mehr Blut. Er sagt, dass Menschenblut zu dünn ist; und der Wein! Er mischt sein faules Blut in den Wein … das Gift, das ganz Engil in seinen Bann schlagen soll.«
Jevana spürte, wie ihr bittere Galle in den Hals stieg. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. »Er wirkt aufgedunsen.«
Braam nickte kaum merklich. »Darüber habe ich auch nachgedacht. Dieser Körper; ich glaube, dass das, was wir sehen, nur eine Hülle ist.«
»Schweig endlich, du Schafskopf!«, mischte sich sein Vater herrisch ein. »Du bist ein Jammerlappen. Wir verdanken ihm alles. Wenn er Weiber schlachtet und ihr Blut trinkt, dann ist es eben so! Du bist ein jämmerlicher Hund.«
Jevana konnte sehen, wie der Hass zwischen Vater und Sohn sich aufheizte. Wenn sie noch etwas aus Braam herausbekommen wollte, musste sie es schnell versuchen. »Was glaubst du, wer er wirklich ist?«
In seine Augen trat unverhohlene Angst. »
Er
ist es! Der dunkle Gott, der gekommen ist, um die Menschen zu beherrschen.«
Sein Vater machte eine verächtliche Handbewegung. Jevana war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Arm zu heben. Alle Kraft, alle Hoffnung verließen sie. Das war nicht möglich. Warum hätte sie Braam glauben sollen? Er war ein Angeber, ein Heißsporn undein Saufbold. Aber er hatte Angst, und sie hatte noch nie gesehen, dass Braam vor etwas oder jemandem Angst hatte.
»Salas Licht möge uns schützen«, flüsterte sie deshalb. Lin hatte recht; die Göttin hatte sie verlassen. Doch der Blutgott war hier in Engil. Wer konnte ihnen jetzt noch helfen?
Lin hatte den Geschmack von Erde im Mund, als sie die Augen aufschlug. Ihr Kopf fühlte sich an, als läge er auf weiche Wolken gebettet, und ihre Hüfte schmerzte nicht mehr so stark. Vom Himmel schien eine gleißend helle Sonne. Sie versuchte, einen Arm zu heben, fühlte sich aber zu schwach. Als sie den Kopf drehte, sah sie riesige Bäume, Baumriesen … Bellockbäume. Ihr müder Verstand wies sie darauf hin, dass diese Bäume an den Quellen im Isnalwald wuchsen. Kurz darauf entdeckte sie einen See. Seine Oberfläche war tiefschwarz, ebenso wie die sandigen Ufer. Obwohl Lin noch nie bei den Quellen von Isnal gewesen war, wusste sie, dass etwas an diesem Bild falsch war. Bei den Quellen von Isnal gab es keinen schwarzen Sand und auch keinen See. Außerdem schien die Sonne viel zu grell, und es war zu heiß. Aber wenn dies nicht die Quellen von Isnal waren – wohin hatte der Riesenvogel sie gebracht?
Unter Stöhnen setzte Lin sich auf und gab ein überraschtes Quietschen von sich, als der Untergrund, auf dem sie saß, sacht zu Boden segelte. Lin fuhr mit einer Hand über den hauchdünnen Stoff – ein Tuch aus Laluhaar! Nur das nicht erdgebundene Laluhaar besaß diese Zauberkraft – zu schweben und das Gewicht eines Menschen dabei zu tragen. Sie wickelte das Tuch vorsichtig um ihren Körper – sie war nackt … Das schmutzige Priestergewand, das sie getragen hatte, war fort. Der herbe Geschmack von Erde lag ihr noch immer auf der Zunge. Sie spie ein paar Krumen aus und betrachtete sie ratlos. Jemand hatte ihr Erde in den Mundgesteckt, während sie geschlafen hatte! War sie etwa verzaubert worden? Aber von wem? Von den Vögeln, die sie verschleppt hatten, wohl kaum. Immerhin lebte sie noch.
»Lin, Tochter von Ilana – eine Weile haben wir befürchtet, das Gift der Bellockbäume wäre zu stark. Doch du wolltest leben und die Göttin ebenfalls.« Die Stimme klang in ihren Ohren wie perlendes Wasser.
Lin sah auf und erkannte am anderen Ufer des Sees eine schimmernde Gestalt von der Größe eines Kindes. Fast durchscheinend war
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